Darts ist eine Faszination, die auch hierzulande immer mehr Fans in die Hallen oder vor den Bildschirm lockt. Bei der WM 2016 kann der Schotte Gary Anderson seinen Titel verteidigen.
Zugegebenermaßen wird es für einen Akademiker, der sich nach der Arte-Dokumentation zufällig auf Sport 1 wiederfindet, schon ein bisschen merkwürdig erscheinen, wenn Pfeilewerfen dickbäuchiger Männer als Sport verkauft wird. Im ersten Moment würde der Intelektuelle vermutlich denken, es handle sich um die Übertragung des Karnevals von Rio, wenn er die unzähligen Fans betrachtet, die als Zwerge, Schlümpfe oder Teletubbies verkleidet sind. Es geht aber um die Darts WM, die am 3. Januar im Alexandra Palace in London mit dem Finale ihren Höhepunkt fand.
Was macht diese Faszination Darts aus? Die Spieler sind ganz normale Menschen aus der Arbeiterklasse deren BMI zwar höher ist als beim Durchschnittseuropäer, Starallüren sind ihnen allerdings fremd. Deutschlands WM-Teilnehmer und Beinahe-Michael van Gerwen-Bezwinger Rene Eidams ist beispielsweise hauptberuflich Kiosklieferant. Darts strengt keineswegs physisch an, die Spieler sind aber riesigem mentalem Druck ausgesetzt.
Manchmal entscheidet sich ein Spiel nur durch einen einzigen vergebenen oder getroffenen Wurf. Die Atmosphäre im „Alley Palley“, einem historischen Gebäude von 1873, ist einzigartig. Präzision trifft auf Party. Die Kontraste könnten nicht größer sein. Die Spieler versuchen das 0,8 cm hohe und 4 cm breite Triple 20-Feld zu treffen, während die Zuschauer hinter ihenen auf den Tribünen aus 3000 Kehlen „Stand up if you love the darts“ grölen.
Der Vorjahressieger triumphiert
Im Finale standen sich jedenfalls der 30-jährige Engländer Adrien Lewis und der 45-jährige Schotte Gary Anderson gegenüber. Bis zum 4:4 hatte Lewis noch gut mitgehalten, dann zog Anderson auf 6:4 weg und gewann schließlich mit 7:5. Obwohl er seinen schwächsten 3-Dart Average im Turnier spielte (99,3; Lewis: 100,2), konnte er auf seine Doppelquote vertrauen (43,3%). Lewis hatte hingegen eine Doppelquote von 38 Prozent, der Knackpunkt in einem engen Match. Da konnte der Titelverteidiger auch zwei Rechenfehler lächelnd verschmerzen, nachdem er auf die falschen Doppelfelder geworfen hatte.
Einen Tag zuvor kam es zum Highlight der WM. Gary Anderson warf im Halbfinale (6:0 gegen Jelle Klaasen) den ersten und einzigen 9-Darter der diesjährigen Weltmeisterschaft. Der 9-Darter ist das perfekte Spiel im Dartssport. Ein Leg muss von 501 Punkten runtergespielt werden und kann mit 9 Würfen, weniger geht nicht, gewonnen werden. Zum Schluss eines jeden Legs muss ein Spieler das entsprechende Doppelfeld treffen, um die 501 Punkte genau auf 0 zu bringen.
Die vielen Favoritenstürze in der ersten Runde zeigen, dass die Dominanz von nur ein oder zwei Spitzenspielern passé ist. An schlechten Tagen kann sogar ein Topspieler gegen ein vermeintliches Freilos in der ersten Runde ausscheiden. So geschehen mit Robert Thornton (Weltranglistenplatz 7), Ian White (Weltranglistenplatz 12) oder Simon Whitlock (Weltranglisten-Platz 18).
Eine weitere große Überraschung erlebte der Holländer Michael van Gerwen, der nach seinem Achtelfinalmatch gegen seinen Landsmann Raymond van Barneveld die Segel streichen musste. Obwohl „Mighty Mike“ einen starken 3-Dart Average von 105 Punkten spielte (Barneveld: 100), verlor van Gerwen die entscheidenden Sets und damit das Spiel. Auch der Mann, der diesen Sport wie kein anderer prägte, schied schon im Achtelfinale gegen Jelle Klaasen aus. Phil Taylor, der 16-malige Weltmeister, muss sich langsam aber sicher eingestehen, dass mit 54 Jahren die Wahrscheinlichkeit auf Titel Nummer 17 immer geringer wird.