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Fußball: Leicester City spielt am Limit und schreibt am eigenen Märchen

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In der modernen Fußball-Welt meint man, Märchen von kleinen Mannschaften gibt es nicht mehr. Leicester City beweist als Beinahe-Absteiger des Vorjahres gerade das Gegenteil und führt die Tabelle in England an. 

Es begab sich aber zu der Zeit, als ein Trainer bei einem Aufsteiger den überraschenden Klassenerhalt feierte, (22 Punkte aus den letzten 10 Saisonspielen) dass man meinen könnte, es handle sich um den Messias höchstpersönlich. Umso ungewöhnlicher scheint es, wenn der Messias, der auf den Namen Nigel Pearson hört, nach Saisonende entlassen wird. Dieses Szenario spielte sich so im Sommer beim Premier League Klub Leicester City ab. Der wahre Grund für die Entlassung des Engländers ist unklar.

Eine mögliche Ursache könnte aber seine taktlose Ader im Umgang mit den Medienvertretern sein. Manchmal müssen auch einfache Fußballfans daran glauben. Einen schrie er bei einem Spiel gegen Liverpool mit den Worten „Fuck off and die“ an. Obendrein dürfte ein Vorfall auf der Nichtabstiegsfeier des Klubs in Thailand für nachdenkliche Mienen in der Führungsetage Leicesters gesorgt haben. Drei Leicester-Spieler, unter ihnen Pearsons Sohn James, sollen auf einem Sexvideo, thailändische Frauen rassistisch beleidigt haben. Innerhalb von zwei Wochen, wurde erst der Sohn, dann der Vater gefeuert.

Der Nachfolger war kein Unbekannter auf dem internationalen Trainermarkt. Claudio Ranieri, der schon Juventus Turin und den FC Chelsea trainierte, unterschrieb im Juli 2015 einen Dreijahresvertrag bei den „Foxes“. Ideal für seine Bewerbungsmappe war Ranieris vorige Station sicherlich nicht. Als griechischer Nationaltrainer wurde er nach einer peinlichen Heimniederlage gegen die Färöer-Inseln entlassen. Das Umfeld und die Fans waren nicht vollkommen überzeugt von Ranieri.

Dank des neuen TV-Vertrags der Premier League, der zwar erst ab 2016 Gültigkeit hat, aber sich jetzt schon auf die Liga auswirkt, ging Leicester im Sommer so richtig auf Shoppingtour. Shinji Okazaki kam aus Mainz für stolze 11 Millionen Euro. Neben ihm kam mit Christian Fuchs (Mainz 05, FC Schalke 04) ein weiterer alter Bekannter aus der Bundesliga.

Die weiteren Neuzugänge N’Golo Kanté (SC Caen) und Yohan Benalouane (Atalanta Bergamo) haben im internationalen Fußball zwar nicht den ganz großen Namen, in ihren vorigen Klubs übernahmen sie jedoch Schlüsselrollen. Vor allem Kanté beackert das Mittelfeld wie ein Derwisch, zeigt sich laufreudig und zweikampfstark. Kanté ist ein Gesicht des Aufschwungs.

Gökhan Inler, ein Championsleague-erfahrener Mittelfeldspieler, wechselte vom SSC Neapel und hätte sich wohl auch mehr als 4 Kurzeinsätze beim Beinahe-Absteiger erträumt. Gleiches gilt für Swansea-Zugang Nathan Dyer. Der schnelle Rechtsaußen spielt in den Überlegungen von Claudio Ranieri noch keine große Rolle und kommt wenn überhaupt von der Bank.

Die Cinderella-Story der Premier League

Nennenswerter als der Kader, der sich nur punktuell verändert hat, ist aber der Tabellenstand. Leicester City hat nach 17 Spielen nur drei Punkte weniger als nach 38 Spielen zum Ende der Spielzeit 2014/15. Damals waren es 41. Man kann schon jetzt von einem Wunder sprechen, auch wenn Leicester den ersten Platz womöglich nur vorübergehend belegt. Auf ihren leuchtend blauen Trikots prangt der Werbeschriftzug „King Power“. In dieser Saison verkörpern sie diese „königliche Kraft“ wie kein zweites Team.

Jamie Vardy und Riyad Mahrez bilden das Duo, das im Moment die ganze Liga aufmischt. Die Karriere von Vardy mag sowieso zu den ungewöhnlichsten Lebensläufen eines Fußballprofis zählen. 2007 war der damals 20-jährige in eine Kneipenschlägerei verwickelt. Als Strafe musste er ein halbes Jahr eine elektronische Fußfessel tragen, die er sogar bei Fußballspielen in der 8. englischen Liga anhaben musste. 2010 kickte der 28-jährige Stürmer noch der 7.Liga und arbeitete in einer Kohlenstofffaser-Fabrik. Heute führt er die Torschützenliste der Premier League mit 15 Treffern an und ist 4-facher englischer Nationalspieler. Die Geschichte von Jamie Vardy ist der Prototyp für jede „Vom Tellerwäscher zum Millionär“-Story.

Nicht minder erfolgreich ist zurzeit Vardys Mittelfeldpartner Riyad Mahrez. Mit 13 Ligatreffern ist er der Zweitplatzierte der Torschützenliste. 28 der insgesamt 37 Tore gehen damit auf das Konto von Vardy und Mahrez. Shinji Okazaki gelangen drei Treffer. Jedem weiteren Torschützen höchstens ein Treffer.

Aber wie hat sich das Kellerkind zu einer Topmannschaft entwickelt? Das Erfolgsrezept ist unter Ranieri der schnelle Konterfußball. In Kombination mit einer gnadenlosen Effektivität vor dem Tor, ergibt das eine Mannschaft, gegen die jeder Klub ungern spiet. Einzig Arsenal London gelang es, den Verein aus Zentralengland mit 5:2 zu bezwingen.

In der Innenverteidigung macht der ehemalige deutsche Nationalspieler Robert Huth die Schotten dicht. Nachdem er bei Stoke City auf dem Abstellgleis stand, wechselte er im Winter 2015 in die 300.000 Einwohner Stadt Leicester. Wie sich jetzt herausstellt, der richtige Schritt für den 31-jährigen, der zwar im Herbst seiner langen Karriere steht und trotzdem in Leicester seinen zweiten Frühling erlebt.

Seit Beginn der Saison holt Leicester City aus seinem Potential nahezu alles heraus. Sie demonstrieren allen englischen Topklubs, wie man effektiv Geld in neue Spieler investiert und trotz geringerer finanzieller Mittel, eine homogene Mannschaft zusammenstellt. Sie spielen am absoluten Limit. Leicester City ist wie eine Zitrone, die man vollständig auspresst. Auch in der Premier League schreibt man noch Märchen.

 

 

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