Der Videobeweis ist das kontroverseste Thema dieser Bundesligasaison. Viele Fans kritisieren ihn, da sie den Fußball in seiner traditionellen Form erleben möchten und verweisen darauf, dass es immer noch zu Fehlern kommt. Andere schwören auf die neu gewonnene Gerechtigkeit. Grundsätzlich macht der Videobeweis den Fußball fairer, aber die bisherige Umsetzung ist unbefriedigend.
Der Irrglaube, der Videobeweis verhindere die Fehler des leitenden Schiedsrichters im Laufe eines Spiels, ist mittlerweile revidiert worden. An fast jedem Sonntagsstammtisch wird mindestens eine Schiedsrichterentscheidung des Spieltags ausdiskutiert. Dabei muss man klarstellen, dass an den ersten 17 ausgewerteten Spieltagen der Videoassistent nur elf Mal einen Pfiff fälschlicherweise korrigierte.
37 Mal griff er immerhin zu Recht ein und der Schiedsrichter korrigierte seine Entscheidung. Die Videoassistenten und die Deutsche Fußball Liga haben im eigenen Interesse sicherlich den Anspruch, Irrtümer abzustellen. In der kommenden Saison wird die Fehlerquote wahrscheinlich weiter sinken, doch 100-prozentige Gerechtigkeit gibt es im Fußball nie.
Ob ein Schiedsrichter einen Elfmeter gibt oder eben nicht, hängt enorm vom Interpretationsspielraum des jeweiligen Spielleiters ab. Reicht demjenigen ein sachtes Trikotzupfen oder pfeift er erst bei groberen Vergehen wie Bein stellen? Selbst die Auffassung des Videoassistenten vor den Bildschirmen in Köln kann zu der des Hauptschiedsrichters konträr sein. Auch die Regelung zum Handspiel ist oft Auslegungssache.
Obwohl keine vollkommene Fairness realistisch ist, gibt es für DFL und DFB Verbesserungsbedarf. Beim American Football in den USA gibt es längst den Videobeweis. Der Hauptschiedsrichter, mit Mikrophon ausgerüstet, muss die getroffene Entscheidung lauthals für alle Zuschauer im Stadion und an den Bildschirmen verkünden. Selbst die Wiederholung der Szene auf den Videoleinwänden im Stadion würde wohl nicht den Missmut der Fans stillen, aber Transparenz und Akzeptanz des Videobeweises erhöhen.
Die Trainer müssen in die Verantwortung
In der NFL haben die Trainer mithilfe sogenannter Challenge-Flags die Möglichkeit, Entscheidungen zweimal pro Partie überprüfen zu lassen. Geben die Unparteiischen jenem Recht, bekommt er eine weitere Chance zum Anfechten. Hat er Unrecht, wird dem Team eine Auszeit abgezogen. Auszeiten gibt es im Fußball zwar nicht, das Protestrecht in die Hände der Trainer zu legen, schafft für alle Beteiligten indes mehr Übersichtlichkeit.
Der Videoassistent würde nur eingreifen, wenn ein Trainer sich davon Vorteile verspricht. Der Videoassistent hätte ein klar definiertes Aufgabenfeld. Die Trainer würden nicht mehr in dem Maße über falsche Pfiffe herziehen, da sie ja selbst hätten handeln können. Spielentscheidende Szenen wie Tore sollten allerdings immer überprüft werden, dazu sollte jeder Trainer nur eine begrenzte Anzahl an Aktionen anfechten dürfen.
Damit keine der beiden Mannschaften benachteiligt wäre, sollte der Fußball über die Einführung einer Nettospielzeit von 60 Minuten nachdenken. Das Gesetz „ein Fußballspiel dauert 90 Minuten“ ist nicht mehr zeitgemäß. Mannschaften, die gegen einen ebenbürtigen Gegner knapp vorneliegen, profitieren regelmäßig von der Bruttospielzeit und latentem Zeitschinden. Da ändert auch die häufig zu kurze Nachspielzeit wenig.
Das International Football Association hat den Videobeweis letzte Woche in die Fußballregeln der FIFA aufgenommen. Über die Einführung des Systems darf jedes Land selbst befinden. Ob er bei der WM in Russland zum Einsatz kommt, entscheidet das FIFA-Council am 16. März. Es deutet daraufhin, dass der Videobeweis nun ebenso zum Fußball dazugehört, wie die Torlinientechnik oder das Freistoßspray. DFB-Schiedsrichterchef Lutz Michael Fröhlich mahnte jedoch vor übertriebenem Aktionismus seitens der Videoassistenten: „Wir wollen keine Videoassistenten, die detektivisch arbeiten.“ Na dann DFB, gebt das Instrument der Videokontrolle an die Trainer weiter!