Pep Guardiola hat Manchester City in seiner zweiten Saison zur Meisterschaft geführt. In der nationalen Liga hat der Katalane das Team auf ein höheres Niveau gehoben und in beeindruckender Dominanz seinen ersten Titel in England gewonnen. International wusste er auf einen deutschen Trainer allerdings keine Antwort.
Das Spiel war wie die Bekanntgabe der Abschlusszeugnisse, der man als guter Schüler ruhigen Gewissens entgegenblicken kann. Manchester City nutzte die gestrige Partie gegen Swansea City zum munteren Schaulaufen, nachdem sie die Meisterschaft bereits letzte Woche bei noch fünf ausstehenden Spielen eingefahren hatten. Mit 5:0 siegte die Mannschaft von Pep Guardiola gegen die walisischen Gäste, die trotz ihrer ernsten Abstiegssorgen blutleer und leidenschaftslos auftraten.
Schon vor dem Anpfiff hatten die Swansea-Spieler zusammen mit den Schiedsrichtern ein Spalier gebildet, um dem englischen Meister für dessen Rekordsaison zu applaudieren. Swansea blieb das ganze Spiel über in dieser Rolle des staunenden Beobachters. Fast erfurchtsvoll bewegte sich die Mannschaft über das Feld. Swansea lud Manchester ein, das zu tun, was sie die ganze Saison schon über tun: Tore schießen.
Manchester führt die Tabelle mit 16 Punkten vor dem Rivalen Manchester United an, hat den erfolgreichsten Angriff und die stabilste Verteidigung der Liga und thront seit dem 5. Spieltag an der Tabellenspitze. Sie spielen sich die meisten Torchancen heraus und lassen die wenigsten zu. Einen verdienteren Sieger als Manchester City kann es in dieser Spielzeit nicht geben.
Als Pep Guardiola im Sommer 2016 bei City unterschrieb, waren die Erwartungen riesig. Viele hatten vermutet, dass der heute 47-jährige die Premier League beherrschen würde wie er es in Spanien und mit dem FC Bayern in der Bundesliga nachgewiesen hatte. Doch die Mannschaft landete mit großem Rückstand hinter dem FC Chelsea und Tottenham Hotspur auf Rang drei. In der Champions League war schon im Achtelfinale gegen den AS Monaco Endstation. Ein Gegner, der von den finanziellen Möglichkeiten Manchesters nur träumen kann.
Was Guardiola im Sommer 2017 veränderte
Nur kurze Zeit nach seiner Amtseinführung gab der kahlköpfige Spanier Joe Hart den Laufpass. Viele eingefleischte Fans empörten sich über die Entmachtung des damaligen Stammtorhüters sowie Englands Nummer eins.
Guardiola servierte auch in seiner Zeit bei Bayern oder Barcelona Leistungsträger ab, die nicht in sein System passten – oder mit denen er persönlich nicht zurechtkam. So war es beim FC Barcelona mit Zlatan Ibrahimovic, Deco oder Samuel Eto’o, beim FC Bayern mit Luiz Gustavo, Dante oder Mario Mandzukic. Dante sagte einmal: „Er redet nicht mit einem. Als Spieler weiß man nicht, woran man ist. Es gibt Trainer, die sind taktisch Weltklasse, aber dafür menschlich weniger gut. So wie Guardiola.“ Auch Franck Ribery stichelte nach Guardiolas Abschied 2016 gegen den Spanier.
Andere Spieler wie Andres Iniesta, Arjen Robben oder Victor Valdes haben dagegen nur lobende Worte für ihn übrig. Fazit: Für Guardiola zählt das Team, nicht das Individuum.
Zurück zu Manchester City im Sommer 2016: Mit Torwart Claudio Bravo landete Guardiola aber alles andere als einen Glücksgriff. Er nahm den Chilenen bereits nach einer Saison aus dem Tor und tauschte ihn aus durch Ederson von Benfica Lissabon. Der Brasilianer, ein technisch und fußballerisch hervorragender Torwart, kommt den Vorlieben Guardiolas viel mehr nach als Hart und Bravo. Bisher kassierte Ederson in 34 Premier League-Spielen nur 25 Tore, was aber auch an der verbesserten Abwehr liegt.
Pablo Zabaleta, Aleksandar Kolarov, Bacary Sagna und Gael Clichy standen 2016/2017 allesamt noch im Kader Manchester Citys‘, doch jeder dieser Außenverteidiger hatte die magische Marke von 30 Jahren überschritten.
An Geld mangelt es nicht
Guardiola suchte verstärkt nach Alternativen, nach athletischeren und jüngeren Spielern auf der Außenbahn und die fand er. Danilo kam für 30 Millionen von Real Madrid, Kyle Walker kostete 52 Millionen und der ehemalige Monegase Benjamin Mendy, der Manchester ein paar Monate zuvor noch die Grenzen aufgezeigt hatte, war mit 57,5 Millionen noch ein bisschen teurer. City war kein Preis zu teuer für Guardiolas Wunschspieler.
Mit dem Mittelfeldspieler Bernardo Silva, ebenfalls vom AS Monaco, und Innenverteidiger Aymeric Laporte, der erst im Januar für 65 Millionen von Athletic Bilbao kam, erhielt der Trainer zwei weitere Spieler, die ideal zu seinem System passen.
Einige Experten halten Guardiola vor, dass er die Meisterschaft nur aufgrund der vielen Millionen gewonnen hat. Dieses Argument ist sicher ein Teil der Wahrheit, doch Danilo saß bei Madrid meist nur auf der Bank, Laporte ist mit 23 Jahren genau wie Ederson (24), Mendy (23), Leroy Sane (22), Gabriel Jesus (21) und Raheem Sterling (23) noch längst nicht am Ende seiner Entwicklung. Viele Spieler sind keine fertigen Stars, für die die Premier League jahrelange Routine wäre.
Besonders Sterling blüht zurzeit auf, mit 18 Liga-Toren ist er so effizient wie nie, auch wenn er hin und wieder schlampig mit Großchancen umgeht. Sane, der vor zwei Jahren vom FC Schalke wechselte, ist zum besten Nachwuchsspieler der Liga gewählt worden. David Silva erlebt mit 32 Jahren seinen zweiten Frühling. Kevin De Bruyne war Guardiolas Ansicht nach der beste Spieler des Jahres in England, obwohl die Jury am Sonntag den Preis Mohamed Salah vom FC Liverpool gab.
Guardiola, der beim FC Barcelona 14 von 19 möglichen Titeln gewann, hat seine Idee des Ballbesitz-Fußballs auch in England perfektioniert. Im Gegensatz zu seiner Zeit bei Barcelona, lässt er mehr über die Flügel spielen, über Sane, Walker oder Sterling.
Die Grundprinzipien sind dennoch die gleichen: Manchester City ist wie ein Detektor, ständig auf der Suche nach dem Ball. Früh soll der gegnerische Ballbesitz gestört werden. Wenn die Mannschaft bei der Balljagd Erfolg hat, verlangt Guardiola, dass die Spieler bereits in Gedanken mögliche Passwege ausloten. Jeder Spieler muss bestimmte Bewegungsabläufe verinnerlicht haben, um so vorbereitet zu sein für eine Vielzahl an Szenarien.
Die ultimative Kontrolle
Thierry Ambrose, derzeit ausgeliehen zu NAC Breda in den Niederlanden, erzählt von seinen Trainingserfahrungen: „Bei Pep geht es nur um Ballbesitz, Ballbesitz, Ballbesitz und wenn du einen dummen Ball verlierst auf die Distanz von zwei oder drei Metern, wird er das Training für fünf oder zehn Minuten pausieren.“
Guardiola gibt alles für den Erfolg. Einmal verpasste er ein Musikkonzert seiner Tochter, weil er mit dem Videostudium auf den nächsten Gegner beschäftigt war. Im Trainingszentrum von City richtete er handyfreie Zonen ein und schaltete das WLAN ab. Guardiola will die Gefahr der Ablenkung reduzieren.
Sein ehemaliger Spieler Thierry Henry sagte über Guardiola, er wolle alles kontrollieren und es sei unmöglich, zu spät zu kommen. Gegenüber den Medien hält sich Guardiola in der Regel bedeckt. Er tritt äußerst selten außerhalb der verpflichtenden Pressekonferenzen auf.
Der Schönheitsfehler
Der Erfolg gibt Guardiola Recht. Doch wie in der letzten Saison, trübt ein Makel das Gesamtbild: Das vorzeitige Ausscheiden in der Champions League. Schon vor dem Aufeinandertreffen war klar, Liverpools unangenehmer Stil könnte für Guardiola zum Stolperstein werden. Im Januar hatte die Mannschaft von Jürgen Klopp den „Citizens“ die erste von zwei Niederlagen in der Liga zugefügt.
Die Gefahr wurde zur Realität. Bereits nach 30 Minuten führte Liverpool im Hinspiel an der Anfield Road mit 3:0. Manchester City wurde überrollt. Guardiola dachte, mit einer Abwehr aus Laporte, Nicolas Otamendi, Vincent Kompany und Kyle Walker würde er die typischen Liverpooler Konterattacken aufhalten können. Kevin De Bruyne zog er anders als gewohnt weit zurück ins Mittelfeld. Der Belgier, sonst die kreative Seele des Teams, tauchte in seiner Rolle ab. Genau wie David Silva. Sturmspitze Sergio Agüero fehlte verletzt, Gabriel Jesus konnte ihn nicht ersetzen.
Liverpool bildete ein Bollwerk im Mittelfeld, durch das Manchester City kein Durchkommen fand. Auch nicht, als Guardiola nach dem ersten Durchgang Sterling einwechselte und zu seinem alten System, das Manchester die ganze Saison über stark gemacht hatte, zurückkehrte.
Obwohl das Rückspiel zuhause, besonders in der ersten Hälfte, eine Demonstration der Stärke war, ging auch dieses Spiel trotz früher Führung nach zwei Minuten mit 1:2 verloren. Zudem wurde ein Tor von Sane zu Unrecht abgepfiffen – es wäre das 2:0 gewesen. Dieser Umstand brachte Guardiola nach dem Pausenpfiff total aus der Fassung, lautstark und mit gehobenem Finger stürmte er auf den spanischen Schiedsrichter Lahoz zu. Die zweite Halbzeit verbrachte Guardiola gezwungenermaßen auf der Tribüne. Nach dem 1:1 durch Salah war das Spiel entschieden.
Seit 2011 kein Champions League-Finale mehr
Als der Spanier noch Trainer von Bayern München war, entwickelte er im Handumdrehen ein mustergültiges Spielsystem, das in der Bundesliga nicht nur erfolgreich, sondern auch sehr ansehnlich war.
Unter Guardiola wurde Joshua Kimmich zum Nationalspieler, Jerome Boateng zu einem der besten Verteidiger der Welt und Phillip Lahm spielte plötzlich nicht mehr hinten in der Abwehr, sondern im defensiven Mittelfeld.
Er gewann in drei Jahren drei Mal die Meisterschaft und zwei Mal den DFB-Pokal, doch in der Champions League war immer im Halbfinale die Grenze erreicht. 2014 schied Bayern nach einer 0:4-Klatsche gegen Real Madrid aus, die Star-Truppe um Cristiano Ronaldo benötigte für die drei entscheidenden Tore 18 Minuten. Ein Jahr später verwandelte der FC Barcelona ein 0:0 nach 76 Minuten noch in ein 3:0.
Die Süddeutsche Zeitung schrieb in Bezug auf die sich wiederholenden Niederlagen: „Zur Charakteristik seines auf Dominanz ausgelegten Stils gehört: Geht die Kontrolle einmal verloren, kann sie sein Team kaum mehr zurückgewinnen.“ Gegen Tempogegenstöße fand Guardiola kein Mittel, das war gegen Liverpool nicht anders.
2016 war es knapper, der 2:1-Erfolg im Rückspiel reichte den Münchnern aber nach dem 0:1 in Madrid nicht aus. Guardiola stand erneut im Fokus der Kritik. Thomas Müller und Franck Ribery hatte er im Hinspiel auf der Bank gelassen, stattdessen vertraute er auf den jungen Kingsley Coman und Douglas Costa, die keinerlei Impulse setzten.
Guardiolas Bayern ging im Frühling immer wieder die Luft aus. In der Bundesliga hatte die Schwächephase keinen Einfluss, da der Vorsprung zu groß war, doch in der Champions League wirkten seine Mannschaften ausgebrannt.
Außerdem traf er einige eigenartige personelle und strategische Entscheidungen. Die beiden Spiele gegen Liverpool reihen sich in diese Liste ein. Seit dem Gewinn der Champions League 2011 mit dem FC Barcelona, hat er kein Finale mehr erreichen können.
Neuer Versuch im nächsten Jahr
„In dieser Saison habe ich realisiert, wie schwer es ist die Champions League zu gewinnen“, sagte Pep Guardiola kürzlich auf einer Pressekonferenz. „Natürlich werden wir es versuchen, aber ich weiß nicht, ob wir als Klub dafür bereit sind, ob wir auf dem Platz und außerhalb davon die Kraft haben, es zu schaffen.“ Zuversicht klingt anders. Der Europapokal ist für ihn zu einer Mausefalle geworden, in die er mit seinem Team regelmäßig hineingetreten ist – der Käse ist den anderen Top-Klubs vorbehalten.
Dass er diesen Wettbewerb gewinnen kann, hat er 2009 und 2011 mit dem FC Barcelona eindrucksvoll bewiesen – ohne Neymar oder Luis Suarez, die damals noch in Brasilien und in England kickten. Guardiolas Vertrag bei Manchester City läuft im Sommer 2019 aus. Im nächsten Frühjahr wird er sich messen lassen müssen am internationalen Resultat, so blendend es national auch laufen mag.