Fußball

Fußball: Die Bundesliga ist auf einer Gratwanderung zwischen Kommerz und Tradition

Nicht erst seit dem gigantischen 222 Millionen Euro-Wechsel von Neymar zu Paris Saint Germain im vergangenen Sommer ist aus dem Fußball ein riesiges Geschäft geworden. Auch die Bundesliga sucht immer intensiver nach Möglichkeiten, die Liga zu vermarkten. Denn die Gefahr international überholt zu werden, ist real. Die zunehmende Kommerzialisierung stößt bei vielen Fans jedoch auf Kritik, für sie ist der Sport wichtiger als das Entertainment.

Die letzte Saison wird für deutsche Vertreter in den internationalen Wettbewerben nicht in die Geschichtsbücher eingehen. Borussia Dortmund quälte sich zu zwei Unentschieden gegen Nikosia und scheiterte genau wie RB Leipzig in der Gruppenphase der Champions League. Die TSG Hoffenheim schied bereits in der Qualifikation gegen den FC Liverpool aus, in der Europa League schien den Kraichgauern der nötige Kampfgeist zu fehlen. SC Braga, Ludogorez Rasgrad und Istanbul Basaksehir sollten das Team von Julian Nagelsmann normalerweise nicht in Bedrängnis bringen, taten es aber.

Für den SC Freiburg war Schluss, bevor es richtig angefangen hatte: Nach einer Niederlage gegen den slowenischen Klub NK Domzale, der europäisch bisher nicht für Furore gesorgt hatte. Hertha BSC Berlin blamierte sich gegen Östersund, der 1.FC Köln spielte im europäischen Schonmodus, da der Abstiegskampf zu viel Aufmerksamkeit beanspruchte. Einzig der FC Bayern München vertrat die Bundesliga gebührend bis ins Halbfinale in der Königsklasse.

Bekenntnis zum Kommerz

Anfang des Jahres sprach Christian Seifert, der Boss der deutschen Fußball Liga (DFL), ein Machtwort an die Bundesligaclubs: „Wer internationale Zweitklassigkeit nicht so schlimm findet, der wird sich schneller als er denkt in der internationalen Bedeutungslosigkeit wiederfinden.“ Um dies zu verhindern, forderte er die Klubs zu einem klaren Bekenntnis zum Kommerz. Seifert will die Bundesliga noch stärker im Ausland vermarkten, 2017 erreichte die DFL bereits eine weitere Ausdehnung der Spieltage. Fünf Montagsspiele gibt es jetzt pro Jahr und sonntags neue Anstoßzeiten. Durch den neuen TV-Vertrag erhalten die Erst- und Zweitligisten pro Saison 1,16 Milliarden Euro.

Den Traditionalisten und Fußball-Romantikern ist Seiferts Kurs ein Dorn im Auge. Sie wünschen sich die Zeiten zurück , als alle Schiedsrichter noch um 15:30 Uhr zum Anstoß pfiffen. Doch ohne ein gewisses Maß an Kommerz und Vermarktung werden Sternstunden wie das Champions League Finale 2013 zwischen Borussia Dortmund und Bayern München der Vergangenheit angehören.

Die 50+1-Regel: Für die einen Fluch, für die anderen Segen

Für die meisten Stadionbesucher steht der Fußball, das Feiern und die Fantreue im Fokus, Helene Fischer in der Halbzeitpause des Pokalfinals stört sie in dieser Idylle, genauso wie die Geldgeber, die die 50+1-Regel in Deutschland abschaffen wollen. Denn anders als im Rest der europäischen Top-Ligen muss die Stimmenmehrheit in den Hauptversammlungen immer beim Hauptverein liegen.

Der Einfluss von Investoren soll so begrenzt werden. Immerhin dürfen diese die Mehrheit des Kapitals stellen. Doch auswärtige Geldgeber machen oft einen weiten Bogen um den deutschen Profifußball, solange die Regel noch gilt. Am 22. März stimmte die Mehrheit der deutschen Erst- und Zweitligisten für eine Beibehaltung der Regel, was nicht bedeutet, dass der Beschluss auf ewig bleibt. Schon bei der nächsten Sitzung könnte die Regel fallen.

Auch Traditionsvereine bemühen sich freilich um Sponsoren und höhere Einnahmen. Vereine wie Fortuna Düsseldorf, der VfB Stuttgart oder der 1.FC Nürnberg möchten Geschäftsmodellen wie dem der TSG Hoffenheim Paroli bieten. Ausschließlich durch Willen, kämpferischen Einsatz und das Berufen auf die alten Traditionen kann mittlerweile kein Verein mehr in der Bundesliga bestehen. Nur noch 6 Klubs gehörten in der abgelaufenen Bundesliga-Saison komplett sich selbst. Auch bei Bayern München teilen sich Adidas, Audi und Allianz 25 Prozent der Stimmanteile. Doch den Vereinen, die die Schlupflöcher der 50+1-Regel ausnutzen, schlagen vonseiten der Fans Wut und manchmal sogar Hass entgegen.

Keine Regel ohne Ausnahmen

RasenBallsport Leipzig ist so ein Beispiel. Die Marke Red Bull stellt 99 Prozent des Kapitals von RB Leipzig, der Stammverein hat zwar die Stimmenmehrheit, doch nur 17 dem Konzern nahestehende Mitglieder sind stimmberechtigt. Bei RB Leipzig war zuerst eine Marke, um die ein Verein entstand. Bei den meisten anderen Bundesligisten war zunächst ein Verein, der sich zu einer Marke entwickelte, mancher mehr, mancher weniger. RasenBallsport Leipzig versucht möglichst guten Fußball zu spielen, um ein Produkt zu bewerben, weshalb das Reisbrettmodell außerhalb von Sachsen besonders unbeliebt ist.

Beim VfL Wolfsburg ermöglichte eine Klausel dem Volkswagen-Konzern vollständig einzusteigen. Denn ein Unternehmen darf sich mehrheitlich an einem Profiklub beteiligen, wenn es 20 Jahre im Verein tätig war. Gleiches gilt für Bayer Leverkusen, das zu 100 Prozent im Besitz der Bayer AG ist.

Martin Kind, Präsident von Hannover 96, kämpft seit Jahren für einen investorenfreundlichen Markt. Die DFL prüft momentan seinen Antrag, der ihm die Stimmenmehrheit einbringen soll. Der Chef einer Hörgeräte-Firma will mehr Macht, nach dem Vorbild von Dietmar Hopp in Hoffenheim . Wie Hopp hat Kind seinen Klub mehr als 20 Jahre unterstützt, doch seine Chancen auf eine Sondergenehmigung sind eher gering.

Wie lang wehrt sich die Liga noch gegen externe Geldgeber?

In den anderen Bundesligastadien nahmen die Zuschauer den Fortbestand der 50+1-Regel mit Erleichterung auf. Ob sich die Bundesliga jedoch zukünftig einen Gefallen damit tut, einen dauerhaften Wettbewerbsnachteil gegenüber den ausländischen Klubs in Europa in Kauf zu nehmen, ist fraglich. Das Handelsblatt hat dazu eine klare Meinung: „Je länger die Bundesliga an der 50+1-Regel festhält, umso größer wird der Vorsprung derjenigen sein, die diese Schranke längst abgeschafft haben.“

Geld schießt keine Tore

Ein Allheilmittel wäre der verstärkte Einstieg von Investoren im deutschen Fußball indes auch nicht. 2011 schickte der Investor von 1860 München, Hassan Ismaik, eine Kampfansage an die Konkurrenz: „In zehn Jahren sind wir auf Augenhöhe mit Barcelona.“ Drei Jahre bleiben Ismaik noch für sein optimistisches Ziel, in der vergangenen Saison musste sich der Viertligist mit Pipinsried herumschlagen. Mit Barcelona hat das bayrische 500 Seelen-Dorf ungefähr so viel zu tun wie der türkische Präsident Erdogan mit dem Friedensnobelpreis. Immerhin glückte 1860 gestern der Aufstieg in die 3. Liga.

Ein launischer Geldgeber und obendrein eine falsche Strategie in der Transferpolitik, Inkonstanz in der Trainerfrage und Unruhe in der Führung können so manchen Klub in die Bredouille bringen. Der TSV 1860 München ist das extremste, aber nicht einzige Negativbeispiel. Der Hamburger SV schlitterte jahrelang nur knapp am Abstieg vorbei, während man aus dem Chaos keine Lehren zog und jetzt verdientermaßen in die 2. Bundesliga abgestiegen ist.

Investor Klaus Michael Kühne öffnete zwar immer wieder das Portemonnaie, weil er er allerdings Mitspracherechte einforderte, kam der Verein nie zur Ruhe. Darüber hinaus kritisierte er immer wieder die sportliche Führung, Spieler wie Pierre-Michel Lasogga und bezeichnete den HSV „als schlechteste Investitionsentscheidung meines Lebens“. 100 Millionen Euro Schulden drücken die Hamburger, was den sofortigen Wiederaufstieg nicht leichter macht.

Wolfsburg trotz VW-Millionen im Liga-Keller

Der VfL Wolfsburg begann die Saison 2017/18 mit dem dritthöchsten Lizenzspieleretat der Liga und beendete sie auf dem drittletzten Rang. In der Relegation gegen Holstein Kiel erhielten sie immerhin Chance, die vergangenen zehn Monate vergessen zu machen. Mit zwei Siegen quälten sich die „Wölfe“ zum Ligaerhalt. Im Vorjahr rettete sich der Verein, bei dem Volkswagen alle Anteile übernommen hat, ebenfalls in den aufreibenden Ausscheidungsspielen am Ende der Saison gegen Eintracht Braunschweig.

Seit Wolfsburg 2009 deutscher Meister wurde, gaben sie knapp 480 Millionen Euro für neue Spieler aus, in der Bundesliga hatte nur der FC Bayern höhere Transferausgaben. Trotzdem ist Wolfsburg aktuell Meilen davon entfernt, sich mit dem Rekordmeister zu messen. Auf Augenhöhe sind vielmehr Vereine wie der FC Augsburg, der trotz eines Etats von 35 Millionen Euro nichts mit dem Abstieg zu tun hatte. Selbst die erfolgreichen Leipziger plagten in den Anfangsjahren gehörige Wachstumsschmerzen, als Ralf Rangnick noch nicht angeheuert hatte.

Auch mit Investor sollte für einen Klub ein kluges Konzept im Vordergrund stehen. Sonst führt es zu den oben beschriebenen Bruchlandungen, die einen Klub auf Jahre zurückwerfen können. Viele Vereinsvertreter haben wahrscheinlich auch angesichts der Chaos-Klubs wie TSV 1860 München für die 50+1-Regel gestimmt.

Es ist ein schmaler Grat, auf dem sich die deutsche Fußball Liga und die Vereine da gerade bewegen. Einerseits sind die Sorgen der Fans berechtigt, die sich eine Dauerkarte auch in zehn Jahren leisten wollen. Andererseits muss die Bundesliga ein Hochglanz-Produkt vermarkten und verkaufen, dass international mithält, sonst ist langfristig sogar die Wettbewerbsfähigkeit der Nationalmannschaft in Gefahr.

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