Fußball

Fußball: Zweiklassengesellschaft auf Europas Rasenplätzen

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Schon 1991, als die Bundesliga erstmals Spieler einkaufte für mehr als 10 Millionen-Mark, verglich der SPIEGEL den Transfermarkt mit Monopoly. Die Summen von damals sind heute jedoch Kleingeld. Die großen Klubs aus Europa profitieren am meisten vom riesigen Fußball-Interesse und die Schere zu den Ligen in Europas zweiter Reihe wird zunehmend größer. Dass Geld trotzdem nicht alles ist, zeigt der Transfer von Mohamed Salah.

Der Ägypter Mohamed Salah ist in der vergangenen Saison zu einem der Shootingstars des Profifußballs aufgestiegen. In der Premier League schoß der Stürmer mit 32 Toren so viele wie kein anderer. Bei den ägyptischen Präsidentschaftswahlen stimmten einige Urnengänger sogar für ihren neuen Volkshelden, obwohl er freilich nicht kandidierte. Sein Heimatland trug der 25-jährige fast im Alleingang zur Weltmeisterschaft in Russland, die nach seiner Verletzung im Champions League Finale gegen Real Madrid nun ohne ihn stattzufinden droht.

Das teure Schnäppchen Salah

Dabei kostete Salah dem FC Liverpool im Sommer 2017 gerade einmal 42 Millionen Euro Ablöse. Ein Schnäppchen bei den derzeitigen Preisen, so absurd es klingt. Zwar hatten auch andere Klubs Salah auf dem Transfer-Zettel, sein Höhenflug in England verblüffte jedoch die Fußball-Welt. Unter Trainer Jose Mourinho war er einst beim FC Chelsea aufs Abstellgleis geraten, ehe er beim AS Rom seine Spielfreude wiederendeckte und nun an der Anfield Road zu einer wöchentlichen Attraktion wurde. Wo Salah auftauchte, dort war Spielwitz, Klasse und Leichtigkeit spürbar.

Nur eine Meile von der Anfield Road entfernt, trägt der FC Everton seine Heimspiele aus. Deren Erwartungen vor der letzten Premier League Spielzeit waren immens – und das lag nicht nur an Rückkehrer Wayne Rooney. Davy Klaasen kam für 27 Millionen Euro von Ajax Amsterdam und für den Isländer Gylfi Sigurddson mussten die „Toffees“ 49 Millionen nach Swansea überweisen. Genau wie Salah hatten beide Neuzugänge bei ihren ehemaligen Arbeitgebern überzeugt. Es gab also gute Gründe für Everton, im Wettbieten mitzumischen.

Doch die hohen Preise wird Everton womöglich noch bereuen. Klaasen lief in der Premier League ganze 7 Mal auf, Sigurddson verpasste den Saisondendspurt nach einer Verletzung im März. Auch davor hatte der Freistoßspezialist mit vier Toren und drei Torvorlagen nur eingeschränkt Werbung für sich gemacht. Der 28-jährige hat in Interviews selbst sogar betont, dass seine Leistungen seinen Preis nicht rechtfertigten. Nicht nur für Klaasen und Sigurddson war die Spielzeit enttäuschend, auch das Team verfehlte die internationalen Plätze klar.

Doch lastet die Schuld des Misserfolgs ausschließlich auf den Spielern, die vor zehn Jahren noch für 12 Millionen Euro und vor 20 Jahren für 6 Millionen verkauft worden wären? Zwar beteuern viele Spieler, dass sie wegen der Summen keinen zusätzlichen Druck verspüren. Aber hohe Ablösesummen stimmen die Spieler vielleicht doch nachdenklich, gerade in Phasen, in denen es nicht läuft. Dem einen fällt es leichter, das Preisschild auszublenden, der andere hat damit zu kämpfen.

Für Topstars mussten die Vereine immer tief in die Tasche greifen. Ob bei Cristiano Ronaldo 2009, der für 94 Millionen Euro nach Madrid wechselte. Oder Gianluigi Buffon (2001 für 54 Millionen zu Juventus Turin), Zinedine Zidane (2001 für 72 Millionen zu Real Madrid) oder Hernan Crespo (2000 für 56 Millionen zu Lazio Rom). Mittlerweile haben aber selbst mittelmäßige Spieler oder vielversprechende Talente einen Marktwert, der in ähnlichen Sphären liegt. Ousmane Dembele wechselte als 20-jähriger für 115 Millionen Euro von Dortmund nach Barcelona.

Der Fußball reagiert auf Angebot und Nachfrage

Weshalb kosten immer mehr Spieler so viel wie ein neues Rathaus oder ein Picasso-Gemälde? Die Antwort ist einfach, im Fußballgeschäft stecken Unsummen. Pauschale Vorwürfe an den Sport, wie der, dass die Spieler zu gut bezahlt sind oder die Vereine bei der Akquirierung zu verschwenderisch mit ihren Mitteln umgehen, lassen ökonomische Grundsätze außer Acht.

Der Fußball ist genau wie die Wirtschaft ein freier Markt, der nach den Gesetzen von Angebot und Nachfrage funktioniert. Und diese ist weiterhin ungebrochen, seit jüngstem sogar in Asien. In der Sommervorbereitung spielen alle europäischen Klubs mit Rang und Namen in China und in den USA den sogenannten „International Champions Cup“ aus. Das Finale im italienischen Supercup fand schon einmal in Peking statt, 2019 dann in Saudi-Arabien. Auch die USA ist für europäische Spitzenklubs zu einem attraktiven Markt geworden. Eine geglückte WM-Bewerbung der USA für die WM 2026 käme da nicht ungelegen.

Bei den Fernseh-Geldern ist England die klare Nummer Eins

Vor allem aber profitiert der Fußball von den gestiegenen Einnahmen aus den TV-Übertragungen. Dabei ist die englische Liga dem Rest viele Stufen voraus. Mit dem aktuellen TV-Vertrag erhält die Premier League 2,3 Milliarden Euro pro Saison. Selbst der Letztplatzierte erhält rund 108 Millionen Euro und damit mehr als der FC Bayern München, der auf rund 97 Millionen kommt.

Die englische Liga boomt, sowohl national als auch international. Die Verdienstmöglichkeiten der Spieler sind nicht weniger lukrativ. So kommt es, dass kein englischer Nationalspieler im Kader für die Fußball WM außerhalb der Premier League kickt. Die Pokale aus den internationalen Wettbewerben schmücken meist die Vitrinen der Spanier, in England lässt sich jedoch das meiste Geld verdienen.

Die TV-Einnahmen der anderen großen Fußballnationen sind enorm, mit Blick auf England fallen sie jedoch deutlich ab. Die Bundesliga bekommt 1,16 Miliarden Euro, Frankreich ab dem nächsten Jahr auf fast genauso viel, in Spanien sind es – trotz Real Madrid, Atletico Madrid und den FC Barcelona -überraschenderweise nur 1,1 Milliarden. Andere europäische Ligen wie Österreich (35 Millionen Euro) sind abgehängt.

Im Vergleich zu den den fünf Top-Ligen Europas (England, Spanien, Deutschland, Italien, Frankreich) zieht der Rest den Kürzeren, muss mit einem Bruchteil der TV-Gelder auskommen und ist international nicht mehr recht konkurrenzfähig. Die großen Klubs aus Portugal können noch halbwegs mithalten – die Liga vermarktet sich nicht zentral, Tschechien, die Schweiz oder Niederlande spielen nur noch eine Nebenrolle. Früher war der Unterschied weniger krass.

Ajax Amsterdam glückte 1995 der Champions League-Triumph, für einige Jahre schaffte es der niederländische Rekordmeister, seine Stars beisammenzuhalten wie Torwart Edwin van der Sar, Frank Rijkard, die de Boer-Brüder oder den legendären Clarence Seedorf. Heute hat Amsterdam nach wie vor eine der besten Talentschmieden in Europa. Doch die besten Spieler von Ajax spielen mit 21 oder 22 im Ausland, vor allem in England. Die Gehälter in der zahlungskräftigsten Liga der Welt sind um ein Vielfaches höher als in den Niederlanden. Ajax hat sich mit seinem Status als Ausbildungsverein arrangiert, doch eine Erkenntnis, die schmerzt: 1995 wird wohl so schnell nicht mehr zu wiederholen sein.

Planungssicherheit und mehr Champions League-Gelder

Die Schere zwischen den Top-Ligen in Europa und dem Rest wird nicht nur auf dem Gebiet der TV-Gelder immer größer. In der kommenden Saison haben die spanische, englische, italienische und die deutsche Liga vier feste Champions League-Starterplätze. Zuvor mussten sich die Teams auf Tabellenplatz vier der Qualifikation stellen. Für die Meister aus der Schweiz und aus Tschechien verheißt der neue Beschluss des europäischen Fußballverbandes UEFA nicht Gutes: Fortan müssen sie eine Qualifikationsrunde überstehen, nachdem sie früher noch direkt in der Gruppenphase starten durften und so sorgenfreier in die nächste Spielzeit gehen konnten.

Krieg gegen die UEFA

Die UEFA reagiert mit ihrem Kurs, die Top 4-Ligen in Europa zu stärken, auf mehr oder weniger konkrete Pläne der erfolgreichsten Klubs in Europa. Seit ein paar Jahren geht ein Gespenst um: Die Superliga. Eine Liga, in der sich die größten Vereine des Kontinents zusammenschließen und nur gegeneinander spielen. Eine Liga, die den Großen noch riesigere Summen bescheren und die Champions League immens entwerten würde. UEFA-Präsident Aleksandar Ceferin bezeichnete dieses Zukunftskonstrukt als „Krieg gegen die UEFA“. Doch die UEFA musste entgegensteuern. Nicht nur die sicheren Champions League Plätze zeugen davon, auch die Gelder aus der Champions League, die künftig noch stärker zugunsten der Großen verteilt werden.

Die Überlegungen zu einer Superliga sind damit allerdings nicht zu den Akten gelegt. Nach Informationen der Sport Bild sollen die Verhandlungen schon recht fortgeschritten sein. 24 Vereine aus Europas fünf großen Ligen sollen an dem Wettbewerb teilnehmen, ohne Auf- und Abstieg. Aus der Bundesliga sind Borussia Dortmund und der FC Bayern vorgesehen.

Das Modell erhitzt die Gemüter. In Deutschland sind die Meinungen zwiegespalten. Die einen würden die neue Ausgeglichenheit der Bundesliga begrüßen und einen Meisterschaftskampf, der ohne Bayern München deutlich spannender wäre. Doch wäre der Titel ohne den Rekordmeister und Verfolger Dortmund genauso viel wert? Und können die Fans die Leidenschaft für den Fußball überhaupt noch entfachen, wenn wöchentlich Manchester United gegen den FC Barcelona spielt oder Bayern München gegen Real Madrid?

Kahn rechnet mit Superliga

Ob es zur Superliga kommt, ist offen. Oliver Kahn glaubt, dass früher oder später die besten europäischen Mannschaften in einer geschlossenen Liga spielen werden. Karl-Heinz Rummenigge vom FC Bayern hält dagegen. „Die nationalen Ligen haben ihren Reiz, sind wichtig und sollen in ihrer Form auch bestehen bleiben“, sagte er im März 2017. Aus der Perspektive der englischen Klubs, scheint es nicht zwingend, an einer Superliga teilzunehmen. Die Premier League vermarktet sich blendend. Der Meisterschaftskampf ist vor jeder Saison offen. 2016 schnappte sich Leicester City überraschend den Titel, 2017 der FC Chelsea, 2018 Manchester City.

Für die besten englischen Klubs gibt es wenig Gründe, ihr Fußball-Mekka zu verlassen und sich einer Liga anzuschließen, deren Erfolg bei den Fans ungewiss ist. Zwar erscheinen die Aussichten auf Spitzenfußball zunächst verheißungsvoll, doch selbst der beste Champagner schmeckt bei täglichem Genuss irgendwann fade.

 

 

 

 

 

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