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Fußball: Mit dem Rücken zur (gelben) Wand

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​Was ordentlich begann, endete in einem Fiasko. Wie schon am Samstag gegen Hoffenheim hat ​Borussia Dortmund beim ​Champions-League-Hinspiel bei den ​Tottenham Hotspurs in der zweiten Halbzeit komplett den Faden verloren. Nach der 0:3-Niederlage im Wembley Stadion steht Dortmund vor dem Rückspiel mit dem Rücken zur (gelben) Wand.

Es war eigentlich klar, dass Borussia Dortmund nicht ohne Rückschlage durch die Saison marschieren würde. Bis zur vergangenen Woche ging für die Borussia fast alles glatt, die Favre-Truppe begeisterte seit August in allen drei Wettbewerben. Aber das Aus im DFB-Pokal am vergangenen Dienstag und der lähmende Auftritt in der zweiten Halbzeit gegen Hoffenheim am Samstag waren erste Indikatoren für das, was am Mittwochabend in Wembley folgte: Nach einer ordentlichen ersten Hälfte, in der weder Dortmund noch Tottenham sich Vorteile erspielten, erlebte die Mannschaft von Trainer Lucien Favre in Durchgang zwei einen herben Rückfall.

Hätte Dan-Axel Zagadou kurz vor der Pause per Kopf das Führungstor für Dortmund erzielt, wer weiß, wie das Spiel verlaufen wäre. So gingen beide Teams mit einem leistungsgerechten 0:0 in ihre Kabinen. Tottenham-Trainer Mauricio Pochettino fand wohl die richtigen Worte bei seiner Ansprache in der Umkleide. Kaum drei Minuten waren gespielt, als Achraf Hakimi den Ball im Spielaufbau vertändelte. Tottenhams Außenverteidiger Jan Verthongen, der zeitweise wie ein Außenstürmer agierte, war der Nutznießer, schlug eine perfekte Flanke auf Heung-min Son. Der Südkoreaner traf den Ball fein mit dem Innenspan zum 1:0. Ärgerlich kurz nach Wiederanpfiff.

Erinnerungen an Hoffenheim

Ob sich die Spieler es eingestehen wollen oder nicht: Das Bundesligaspiel gegen Hoffenheim war gewiss noch präsent. Am vergangenen Samstag hatte die Borussia eine 3:0-Führung verspielt und in der zweiten Halbzeit innerhalb von zwölf Minuten drei Gegentore kassiert. Ganz so schnell spielte sich Tottenham nicht in einen Rausch, wie schon gegen Hoffenheim leuchteten letzten Endes allerdings drei Gegentore auf der Anzeigetafel auf. Es war nicht die einzige Parallele: Wie schon am Samstag fielen alle drei Tore nach Flanken. Verthongen vollendete in Angreifer-Manier nach Vorlage von Serge Aurier zum 2:0 (83. Minute). Drei Minuten später erzielte der eingewechselte Fernando Llorente per Kopf nach Ecke von Christian Eriksen den 3:0-Endstand.

Immer wieder haperte es in der Zuordnung der Westfalen-Abwehr. Zudem leisteten sich zu viele Dortmunder zu viele und zu schwerwiegende Fehler. Der 20-Jährige Achraf Hakimi hatte einen völlig gebrauchten Tag, machte nicht nur beim 0:1 eine schlechte Figur, sondern spielte ein ums andere Mal dem Gegner den Ball in den Fuß. Auch Abdou Diallo, nomineller Innenverteidiger, war mit der Situation überfordert, aus Mangel an Alternativen als Linksverteidiger ranzumüssen. Zagadou machte nach einer Mittelfußprellung sein erstes Spiel seit Anfang Dezember und war daher noch nicht am Optimum. Er war aber noch einer der Besten im Abwehrverbund, musste allerdings nach 77 Minuten erschöpft den Platz verlassen.

Ausfälle wiegen schwer

Nicht nur Tottenham musste mit Harry Kane und Dele Alli die Ausfälle zweier Leistungsträger verkraften, auch Dortmund vermisste die beiden Innenverteidiger Manuel Akanji und Julian Weigl und Rechtsverteidiger Lukas Piszczek. Gegen Tottenham sah sich Favre gezwungen, im 31. Pflichtspiel zum 16. Mal die Viererkette umzustellen. Dass der personelle Aderlass sich auf höchstem Niveau irgendwann bemerkbar macht, war abzusehen. Dazu kam die Verletzung von Angreifer Paco Alcacer, dessen Schulterbeschwerden erst am Dienstag bekannt wurden. Besonders bitter jedoch war der Ausfall von Marco Reus, Dortmunds spielerischem und emotionalem Führungspieler. Neben der Erfahrung des 29-Jährigen hätten dessen Qualitäten im Umschaltspiel der Mannschaft wohl mehr Möglichkeiten geboten, energischer in Richtung Tottenham-Tor zu spielen.

Jadon Sancho hatte vor allem in der ersten Halbzeit ein paar gelungene Dribblings, in den zweiten 45 Minuten war vom Engländer allerdings kaum mehr etwas zu sehen, weil Tottenham geschlossen verteidigte und alle Spieler versuchten, sich hinter dem Ball zu platzieren. Christian Pulisic blieb dagegen nahezu unsichtbar. Der US-Amerikaner wirkte längst nicht so ballsicher, wie zum Beispiel in der letzten Spielzeit. Bezeichnend sein vertändeltes Solo gegen Davinson Sanchez (62.). Man konnte diesmal sogar Trainer Lucien Favre in die Kritik nehmen, dem bisher all das Schöne nur so zuflog und der in Windeseile eine junge, leidenschaftliche Mannschaft formte, die wie sich jetzt zeigte, ohne mehrere Schlüsselspieler Probleme bekommt. Gerade gegen international reife Teams wie Tottenham, die seit Jahren eingespielt sind.

Favre wechselt ungewöhnlich spät

Trotzdem hätte Lucien Favre früher wechseln können. Raphael Guerreiro kam erst in der 88. Minute in die Partie und hätte prompt das 1:3 erzielen können, scheiterte aber knapp mit einem Schlenzer. Auch Jacob-Bruun Larsen konnte mit rund fünf Minuten Restspielzeit ebenfalls kaum Einfluss auf den Spielausgang mehr nehmen. Marius Wolf und Maximilian Phillip blieben beide komplett auf der Bank. Die Offensivkräfte waren unter Favre zum wiederholten Male außen vor.

„Wir können nicht dagegenhalten. Gegen robuste Mannschaften haben wir unsere Probleme, wir setzen uns zu wenig durch“, ​sagte Bürki nach dem Spiel und fügte hinzu: „Was mir aufgefallen ist: Es ist physisch einfach ein Riesenunterschied zwischen deren Spielern, wie sie aussehen, und unseren Spielern. Wir müssen uns da durchbeißen und Mentalität zeigen, aber das konnten wir heute nicht. Wir verteidigen nicht mit dem letzten Willen. Es sind immer wieder die gleichen Situationen wie Flanken oder Standards.“

Vor dem Rückspiel am 5. März steckt Dortmund jetzt in einer fast aussichtslosen Lage, nur ein Gala-Auftritt kann das Team noch vor dem Aus bewahren. Jedoch ist die Mannschaft in Bestbesetzung in der Lage dazu, wie der 4:0-Sieg gegen Atletico Madrid im Oktober bewies. Zumindest die Mentalität von ​Mario Götze ist intakt: „Wir sind zu Hause eine Macht, es ist noch alles möglich“, sagte er auf die Frage, wie er die Chancen für das Rückspiel einschätze. „Es sind nur Kleinigkeiten, die wir abstellen müssen“, erklärte Götze zuversichtlich.

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