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NBA: Der Bart fängt Feuer

Jose Garcia from Orlando FL, USA (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:James_Harden_And_Aaron_Gordon_(31811616060).jpg), „James Harden And Aaron Gordon (31811616060)“, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/legalcode

James Harden sprengt derzeit Statistikbögen. Seit dem 12. Dezember 2018 hat der 29-Jährige NBA-Star für die Houston Rockets immer 30 oder mehr Punkte erzielt. Dabei hat Harden aber nicht nur Lob eingeheimst. Trotz der beeindruckenden Vorstellungen steht sein Spielstil in der Kritik.

Kaum ein anderes Team in der National Basketball Association (NBA) ist so abhängig von einem einzigen Spieler. Um es mit den Worten des Apollo 13-Astronauten zu sagen: Houston hat ein Problem, wenn Harden nicht spielt. Mit 32 Siegen aus 55 Spielen belegt Houston den fünften Platz der Western Conference. Ohne Harden stände Houston höchstwahrscheinlich nicht auf einem der acht Playoff-Plätze. Der voll- und schwarzbärtige Harden zählt im Angriff zu den besten Athleten der Welt, in der vergangenen Saison wurde er mit weitem Abstand zum wertvollsten Spieler (MVP) der NBA gewählt. In dieser Spielzeit ist er erneut Kandidat.

61 Punkte im Mekka des Sports

Der Slogan „Fear the Beard“ („Fürchte den Bart“), den Rockets-Fans gerne hervorheben, ist treffender denn je. Am Dienstag gegen die Dallas Mavericks hat Harden im 30. Spiel in Folge die 30-Punkte-Marke geknackt. Vor drei Wochen im New Yorker Madison Square Garden erzielte der ehemalige Spieler der Arizona State-Universität sagenhafte 61 Punkte. Natürlich führt Harden mit die Statistik der besten Punktesammler an. 36,5 Punkte legt er im Schnitt auf, auf Platz zwei folgt Paul George mit 28,7. Noch beeindruckender: Im Januar machte Harden durchschnittlich 43,6 Punkte.

Freilich ist die Offensive der Houston Rockets auf Harden abgestimmt. Sein Trainer Mike D’Antoni hat kein komplexes Spielsystem installiert. Der 7-malige Allstar hat viele Freiheiten und darf schwierige Würfe nehmen, bei denen Fans des europäischen (Team-)Basketballs die Augen verdrehen. Doch häufig trifft Harden diese wilden Würfe, selbst wenn er einen Schritt weg von der Dreierlinie macht, sein Gegenspieler während Hardens Wurf die Hand ausstreckt und ihm so die Arbeit erschwert. Gemessen an der Schwierigkeit seiner Würfe, ist Hardens Dreierquote von 37,5 Prozent sehr bemerkenswert.

Jose Garcia from Orlando FL, USA (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:James_Harden_And_Aaron_Gordon_(31811616060).jpg), „James Harden And Aaron Gordon (31811616060)“, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/legalcode
Jose Garcia from Orlando FL, USA (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:James_Harden_And_Aaron_Gordon_(31811616060).jpg), „James Harden And Aaron Gordon (31811616060)“, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/legalcode

Oft fehlt der Plan B

D’Antoni hat Harden einen Freifahrtschein ausgestellt. Die Konsequenz: Houston steht und fällt mit Harden. Das kann gut gehen, wenn der 29-Jährige ein heißes Händchen hat. Wenn nicht, fehlt den Texanern allerdings der Plan B. Chris Paul wäre ein so ein Kandidat für den Posten des Edelhelfers, ist aber inzwischen 33 Jahre alt und verletzungsanfällig. Sofern fit, kann Paul die Mannschaft noch immer tragen, aber nicht mehr in dem Maße wie früher. Mit Ausnahme von Harden, Paul und ein, zwei weiteren Spielern gibt Houstons Kader kaum Kreativität her, sprich Dribbler, die sich ihren eigenen Wurf kreieren können. Daher fahren die Rockets gut mit ihrer Strategie, ihrem Superstar das freie Feld zu überlassen.

Doch auch der Trainer hat erkannt, dass Harden mehr Unterstützung von seinen Mitspielern bekommen muss. „Wir können uns nicht darauf verlassen, dass James jeden Abend Übermenschliches leistet“, sagte D’Antoni vor kurzem. Der 67-Jährige weiß, dass die Formel, Harden einfach machen zu lassen, in den Playoffs kaum von Erfolg gekrönt sein wird. Zu gut ist die Konkurrenz.

Vor allem in den Schlussphasen enger Partien ist Houstons Spielstil ausrechenbar: Meistens Harden, meistens Dreier aus der Distanz, meistens schwierig. Am Samstag gegen die Oklahoma City Thunder hat das nicht geklappt. Beim Stand von 112:113 verwarf Harden einen schwierigen Dreipunktewurf bei sieben Sekunden Restspielzeit. In der Folge war das Spiel entschieden. Oklahoma um den deutschen Nationalspieler Dennis Schröder konnte einen knappen Auswärtssieg einfahren.

Überdurchschnittlicher Passgeber

Aber wenn man Harden nur auf seine Dreier und sein Ego reduziert, käme ein Aspekt seines Spiels zu kurz: Zum einen sind alle NBA-Stars eher egoistisch als altruistisch veranlagt, zum anderen ist Harden ein kompetenter Passgeber. Im Schnitt verzeichnet er pro Partie 7,8 Vorlagen, die zu direkten Punkten führen. Der fünftbeste Wert. Anlass zu Sorge gibt einzig Hardens hohe Anzahl an Ballverlusten (5,4 pro Partie) – der schlechteste Wert aller NBA-Akteure, der sich gleichzeitig ein wenig relativiert, da kein Profi den Ball öfter und länger in den Händen hat als Harden.

„Es ist eine Kombination aus Kraft und Anmut, die nicht viele Menschen besitzen“, lobte Rockets CEO Tad Brown den Superstar: „Es ist als hätte er seinen eigenen Tanz, aber keiner weiß die dazugehörige Schrittfolge.“ Das trifft den Kern recht gut. Harden hat sich nicht nur einen gefährlichen Distanzwurf antrainiert, sondern ist nebenbei auch mit einem schnellen ersten Schritt ausgestattet. Seine Verteidiger können den blitzartigen Bewegungen Hardens oft nicht folgen. Gepaart mit einem sicheren Dribbling und robustem Oberkörper ist er kaum zu verteidigen.

Spielstil im Kreuzfeuer

Jedoch schwärmt nicht jeder Fan über Hardens Spielstil. Viele kritisieren seine angebliche Neigung, Fouls zu schinden. An der Freiwurflinie könnte Harden tatsächlich einen zweiten Wohnsitz anmelden. 11,7 Mal pro Spiel tritt er an die Linie, erneut Spitze in der NBA. Es gibt hin und wieder streitbare Schiedsrichterpfiffe, doch in der Regel ist Harden einfach cleverer als jeder andere und weiß, wie er Fouls provoziert. Das ist gelegentlich nervig, aber auch eine Qualität.

Man muss James Harden nicht mögen. Seine Spielstil wirkt manchmal doch sehr eintönig. Sein Ego-Gezocke, besonders am Ende knapper Partien, ist nichts für Basketball-Ästheten, die auf Teamsport stehen oder nach Abwechslung lechzen. Harden kann keine Abwechslung bieten; sein Spielstil ist monoton, beständig und eiskalt. Er ist ein Vollstrecker. Dafür verdient er Anerkennung. Houstons General Manager Daryl Morey sagte bei ESPN sogar: „Man könnte Argumente finden, dass er der beste Offensivspieler aller Zeiten ist.“

So weit muss man nicht gehen, immerhin gab es in den 1980er Jahren Larry Bird und Magic Johnson, in den 1990er Jahren Michael Jordan und heute LeBron James – doch mit Sicherheit zählt Harden zu den polarisierendsten Persönlichkeiten und besten Offensivspielern im laufenden NBA-Jahrzehnt, gerade in dieser Saison. Der Bart hat förmlich Feuer gefangen. Sein Kollege Chris Paul sagte in Richtung der Harden-Kritiker: „Leute, die in dieser Liga spielen, wissen, wie hart es ist, Nacht für Nacht so aufzutrumpfen. Wenn alle anderen es könnten, würden sie es machen.“

 

 

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