Kein anderer verkörpert Borussia Mönchengladbachs Aufstieg vom zerbrechlichen Fohlen hin zum Prachtpferd besser als Max Eberl. Vor zwanzig Jahren startete er als Spieler Mönchengladbachs durch, seit rund zehn Jahren ist der 45-Jährige Sportdirektor. Fast sein halbes Leben hat Eberl die Borussia gestaltet.
Als Spieler war Max Eberl limitiert, kein Feinfuß, aber eine Kämpfernatur mit dem Willen, härter zu arbeiten als die, denen das Talent in den Schoß gefallen ist. Immerhin absolvierte der Rechtsverteidiger 104 Bundesligaspiele, und lief 12 Mal für die U21-Nationalmannschaft auf. Doch schon in jungen Jahren warfen ihn mehrere Knieverletzungen zurück, oft musste er sich Operationen unterziehen – keine Perspektive auf eine lange Karriere.
Schon damals deutete vieles daraufhin, dass er dem Fußball treu bleiben und seine Nische finden sollte. „Vom Charakter und der Einstellung her, und in der Art, wie er mitgedacht hat, hat er mir damals schon angedeutet, dass er durchaus auch für andere Bereiche im Fußball fähig sein könnte“, sagte Eberls damaliger Trainer Hans Meyer, heute im Präsidium der Borussia.
Zunächst Nachwuchskoordinator
Bereits mit 31 Jahren wurde Eberl 2005 Leiter der Nachwuchsabteilung von Borussia Mönchengladbach, kurz nach dem Ende seiner Spielerkarriere. Im Oktober 2008 stieg er zum Sportdirektor auf, bis heute ist er es geblieben. Nur Michael Zorc von Borussia Dortmund ist länger im Amt.
Auf die Frage, welche Eigenschaften des Spielers ihn als Manager kennzeichnen, sagte Eberl im Oktober 2018 dem kicker: „Biss, Ehrgeiz, Geradlinigkeit, Offenheit, Erfolgshunger.“ Doch alsbald wurden diese Merkmale auf die Probe gestellt. Widerstand gab es auch aus den eigenen Reihen. Mönchengladbach-Legende Berti Vogts nörgelte: „Er weiß ja gar nicht, wie er in diese Position gekommen ist. Wahrscheinlich ist er zufällig mit dem Fahrrad vorbeigefahren.“
Sportlich lief in den ersten Jahren längst nicht alles rund. In der Saison 2010/2011 stand der Klub vor dem Chaos. Die Borussia rettete sich auf den 16. Rang, musste in der Relegation um den Ligaverbleib zittern und setzte sich gegen den VfL Bochum erst nach einem Kraftakt durch. In jener Saison machte Eberl seine schwierigste Phase durch: Er entließ seinen Freund Michael Frontzeck mitten in der Saison, und landete mit Lucien Favre einen Glücksgriff. Favre rettete Mönchengladbach nicht nur vor dem Abstieg, sondern führte „die Fohlen“ in andere Sphären. Im Folgejahr gelang der Sprung auf Platz vier, zwei Jahre später wurde Mönchengladbach Dritter und qualifizierte sich für die Champions League.
Top-Transfer Reus
Favre ist zwar nicht mehr am Niederrhein – Erfolg hatte Eberl aber auch ohne den Schweizer, der Dortmund aktuell auf Meisterschaftskurs bringt. Eberls größter Coup war wohl Marco Reus: 2009 für die Summe von einer Million Euro von Rot Weiss Ahlen geholt, wurde Reus drei Jahre später, inzwischen als Publikumsmagnet der Bundesliga, an Dortmund für mehr als 17 Millionen Euro verkauft.
Eberl bewies immer wieder sein Händchen bei Spielertransfers, wofür er in der Branche heute geschätzt und bewundert wird: Dante, Granit Xhaka, Christoph Kramer, Lars Stindl oder Thorgan Hazard wurden alle in Mönchengladbach zu Spitzenspielern. Auch die Jugendarbeit trug Früchte, wie die Beispiele eines Marc-Andre ter Stegen und Mahmoud Dahoud zeigen.
In den letzten zehn Jahren nahm die Borussia knapp 185 Millionen Euro ein. Immer wieder brachen wichtige Stützpfeiler weg, dennoch stellte Eberl regelmäßig hungrige und wettbewerbsfähige Mannschaften zusammen. Freilich ist der 45-Jährige nicht ohne Fehler: 2012 war 12 Millionen-Euro-Transfer Luuk de Jong ein solches Missverständnis, doch diese sind rar. Eberl ist nie durch Panikkäufe aufgefallen, er steht für eine Strategie, die auf Nachhaltigkeit setzt. Daher dauerte es auch ein paar Jahre, ehe man unter seiner Leitung durchstartete.
Seit 2011: Nie schlechter als Platz neun
Mittlerweile hat sich Mönchengladbach den Ruf erarbeitet, eine hervorragende Umgebung für Talente zu sein. Die Erweiterung des Trainingszentrums, die von Eberl angeordnet wurde, passt ins Bild. Obwohl der Fokus auf der Nachwuchsarbeit und der Ausbildung der Spieler liegt, spielt Mönchengladbach regelmäßig oben mit. Die schlechteste Ausbeute seit 2011: Zwei neunte Plätze. Aktuell steht die Mannschaft auf Platz drei, in der kommenden Spielzeit scheint eine Champions-League-Teilnahme realistisch.
1999 unterschrieb Eberl seinen ersten Vertrag als Spieler von Mönchengladbach über die Laufzeit von zweieinhalb Jahren. Dass er 20 Jahre später immer noch für den selben Verein tätig ist, den Klub in der oberen Tabellenhälfte etabliert und für andere Bundesligisten als Vorbild dient, hätte er sich damals wohl selbst nicht ausmalen können. Wie lange er noch für die Borussia arbeitet, lässt der Niederbayer offen. „Ich weiß ja auch nicht, wie lange man mich überhaupt noch will“, sagte er – bescheiden – vor kurzem bei Sport1.