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Fußball: Madagaskar überrascht beim Afrika-Cup-Debüt

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Madagaskar bringt man mit Natur, Tiervierfalt und einer computeranimierten Hollywood-Komödie in Verbindung, nur Fußball stand bisher nicht sonderlich weit oben auf der Visitenkarte des Inselstaates. Beim Afrika-Cup 2019 in Ägypten ist der Außenseiter jedoch nicht einfach nur dabei; die Madagassen düpierten in der Gruppenphase die Konkurrenz.

Allein die Tatsache, dass sich Madagaskar zum ersten Mal in der Verbandsgeschichte für den im Zweijahresrhythmus ausgetragenen Afrika-Cup qualifizieren konnte, kam überraschend. Madagaskars Nationalmannschaft existiert seit 1947, bis 2019 hatte es für eine Endrunde aber nicht gereicht.

Inzwischen hat die Auswahl diese Leistung sogar noch getoppt: Nach einem 2:2 gegen Guinea, einem 1:0-Sieg gegen Burundi und dem sensationellen 2:0-Erfolg gegen Nigeria stehen die Madagassen im Achtelfinale. Als Gruppenerster bekommt das Team des französischen Trainers Nicolas Dupuis einen machbaren Gegner, einen der vier besten Gruppendritten. Dieser allerdings steht noch nicht fest.

Die Erhöhung der Teilnehmeranzahl des Afrika-Cups – von 16 auf 24 Mannschaften – hat die Qualifikation vereinfacht, doch die bloße Teilnahmeberichtigung hat Madagaskar keinesfalls zum Schwergewicht gemacht. Nur die kühnsten Optimisten hätten damit gerechnet, dass Madagaskar am Ende vor Guinea und insbesondere dem großen Favoriten Nigeria landet.

Das Fußballportal Transfermarkt.de schätzt den Marktwert der Nationalmannschaft Guineas auf knapp 120 Millionen Euro. Namen wie Naby Keita (FC Liverpool), Amadou Diawara (AS Rom) stehen für internationale Klasse. Ibrahima Traore (Borussia Mönchengladbach) und Simon Falette (Eintracht Frankfurt) sind deutschen Beobachtern keine Unbekannten.

Nigeria mit Stars aus der Premier League

Auf dem Papier noch stärker ist Nigeria: Wilfried Ndidi (Leicester City), Alex Iwobi (FC Arsenal), Henry Onyekuru (FC Everton), Samuel Chukwueze (FC Villareal) und Ahmed Musa (Al-Nasr Riad) haben auf internationaler Bühne schon für Aufsehen gesorgt. John Obi Mikel (Trabzonspor) hat mit dem FC Chelsea 2012 sogar die Champions League gewonnen. Leon Balogun (Brighton & Hove Albion) hat früher für den 1. FSV Mainz 05 verteidigt. Insgesamt kommen die „Super Eagles“ auf einen Marktwert von 192 Millionen. Wie Peanuts wirken dagegen die 14 Millionen, die Transfermarkt.de Madagaskar bescheinigt.

Nigerias deutsch-französischer Trainer Gernot Rohr dürfte sich der ungleichen Ausgangslage beider Mannschaften bewusst gewesen sein, nach der 0:2- Niederlage jedoch schwärmte er lieber von den Madagassen anstatt mit seiner Mannschaft ins Gericht zu gehen. „Sie sind stark, haben einen tollen Trainer und können beim Turnier noch weit kommen“. Als Überraschung wollte Rohr die Niederlage jedenfalls nicht bewerten. Es sei „keine Schande“, gegen dieses Team zu verlieren. Vielleicht schimpfte er aber auch deswegen nicht wie ein Rohrspatz, weil Nigeria als Zweiter ebenfalls die k.O.-Runde erreichte.

Französische Verbindung

Mindestens ein mittelgroßes Wunder ist es aber schon, wie stark Madagaskars Fußballer derzeit über sich hinauswachsen. Bereits im April 2016 mit der Ernennung von Nicolas Dupuis zum Nationaltrainer wurde der Grundstein gelegt für den heutigen Erfolg. Der 51-jährige Franzose hat es geschafft, eine homogene Truppe ohne Stars zusammenzustellen, die dennoch kompetitiv ist und Geschlossenheit demonstriert.

Mit Mittelfeldspieler Marco Ilaimaharitra spielt der beste Madagasse für den belgischen Erstligisten RSC Charleroi. Sein Freistoßtor gegen Burundi war einer der sehenswertesten Treffer im bisherigen Turnierverlauf, ein Promi ist er aber maximal in seinem Heimatland. In Madagaskar gibt es keine Profi-Liga, bis auf zwei Ausnahmen kicken alle Spieler für Mitteklasse-Klubs im Ausland.

13 Spieler spielen in Frankreich, wie etwa Zweitligastürmer Lalaina Nomenjanahary (FC Paris), der gegen Nigeria das Führungstor erzielte, nachdem seine Mitspieler einen gegnerischen Ballverlust herbeigeführt hatten. Nigerias Leon Balogun hätte die Situation noch entschärfen können, allerdings verschätzte er sich. Fehler passieren im Fußball – aber gerade ein Außenseiter wie Madagaskar benötigt Mut und Risiko, diese beim Gegner zu provozieren.

Weil Madagaskar – die viertgrößte Insel der Welt (Deutschland, Schweiz, Österreich und Ungarn sind zusammen ähnlich groß) – bis 1960 eine französische Kolonie war und die Landessprache Französisch ist, passt der Trainer Dupuis auch sprachlich perfekt. Elf Nationalspieler besitzen eine doppelte Staatsbürgerschaft: madagassisch, französisch.

„Demut und Selbstvertrauen haben uns bis hierhin gebracht. Jetzt versuchen wir, so weit wie möglich zu kommen“, sagt Dupuis: „Wir können ganz befreit aufspielen. Die Jungs wachsen immer mehr zusammen. Wir sind eine große Familie“, berichtet der Übungsleiter, der während der Saison einen riesigen organisatorischen Aufwand betreibt – parallel ist er Trainer des französischen Viertligisten FC Fleury. Madagaskar ist eines der ärmsten Länder der Welt, auch der Fußballverband muss jeden Taler umdrehen und kann den Trainer nicht üppig entlohnen.

In der FIFA-Weltrangliste liegt Madagaskar übrigens auf Platz 108, direkt hinter den Faröer-Inseln und vor Simbabwe. Schon jetzt steht fest: Nach dem Turnier dürfte es ein paar Plätze nach vorne gehen.

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