Fußball

Fußball: Rückkehr des verlorenen Sohnes Gerard Deulofeu nach einer langen Odysee?

Gerard Deulofeu hat mit 23 Jahren schon mit den besten Fußballern der Welt gespielt, aber nie hat er eine Heimat gefunden. Bei der U21-EM blüht er derzeit im Schatten von Saul Niguez auf, eine Rückkehr nach Barcelona scheint möglich.

Unter Pep Guardiola feierte Gerard Deulofeu sein Profidebüt. Im Oktober 2011 war das damals bei Barcelonas Heimspiel gegen RCD Mallorca. Eingewechselt für David Villa im zarten Alter von 17 Jahren. Heute, knapp sechs Jahre danach, dreht sich wieder alles um den immer noch jungen Deulofeu und den FC Barcelona. Doch wer eine reibungslos verlaufene Traumehe zwischen ihm und seinem langjährigen Arbeitgeber vermutet, irrt. Seit dem Einsatz gegen Mallorca hat Deulofeu ganze sechs Pflichtspiele für die Katalanen bestritten. In der Zwischenzeit erlebte er eine Odysee, die gleichermaßen von Höhen und Tiefen durchzogen war.

Im Sommer 2013 einigten sich Barcelona und der FC Everton auf ein Leihgeschäft, mit der Hoffnung dem hochtalentierten Blondschopf mehr Spielzeit zu geben. Die bekam er beim Premier League Klub auf Anhieb und rechtfertigte das Vertrauen mit Leistung. Zwar war er weder unumstrittener Stammspieler noch eiskalter Torjäger, für den Trainer Roberto Martinez aber immer eine Alternative neben den etablierten Offensivspielern Kevin Mirallas oder Aiden McGeady.

Zurück in Barcelona: Dort absolvierte er die Vorbereitung auf die Saison 2014/2015 mit dem Team, mit Messi, Suarez und Neymar. Doch Barcelona hatte andere Pläne mit ihm. Beim FC Sevilla stand das nächste befristete Engagement an. Nur 17 Spiele bestritt er für den Spitzenklub in La Liga, der im gleichen Jahr den Europa-League-Titel gewann. Erste Zweifel an Deulofeus Einstellung wurden laut. Er sei sich fürs Verteidigen zu schade, sei ein Schönspieler – nicht für unermüdlichen Einsatz und Kämpferherz bekannt.

Es war der erste richtige Stolperstein in der Karriere Deulofeus, für den es seit er mit neun Jahren in „La Masia“ anheurte nur bergauf ging. Mit der spanischen U19-Nationalmannschaft gewann er sowohl 2011 als auch 2012 den Europameistertitel, bei letzterer wurde er sogar zum besten Turnierspieler ausgezeichnet.

Everton zahlt für Deulofeu

2015 verpflichtete der FC Everton Deulofeu fest für eine Ablöse von sechs Millionen Euro. Die „Toffees“ hatten sich an den dribbelstarken, wendigen und schnellen Rechtsaußen erinnert. Der FC Barcelona ließ ihn auf die Insel ziehen, mit einer Rückkaufklausel hielt sich der Championsleaguesieger 2015 jedoch alle Möglichkeiten offen. Bei Everton saß Roberto Martinez noch immer auf der Trainerbank, Deulofeu spielte persönlich eine solide Saison. In 26 Ligaspielen traf er zweimal, neun Tore bereitete er vor.

Das Team jedoch spielte eine Saison zum Vergessen. Der negative Höhepunkt war eine 0:4-Klatsche im Derby gegen Liverpool. Die Konsequenzen kamen also nicht unerwartet: Für Martinez war nach drei Jahren Schluss, Nachfolger wurde der Niederländer Ronald Koeman. Dieser lag von Beginn an mit Deulofeu im Clinch. Deulofeus Mängel in der Rückwärtsbewegung gefielen Koeman überhaupt nicht: „Man sieht, dass Gerard nicht bereit ist, über 90 Minuten zu gehen. Es geht einzig um die Einsatzbereitschaft des Spielers.“

Meistens ließ Koeman den Spanier nur zu Kurzeinsätzen kommen. Für Deulofeu war die häufige Nichtberücksichtigung nicht länger zu ertragen, er forcierte einen Wechsel zum AC Mailand. Everton ließ ihn per Leihe ziehen, nachdem sie einem Wechsel Deulofeus ein paar Wochen davor noch ausgeschlossen hatten. Im Januar 2017 startete er sofort bei den „Rossonieri“ durch.

Die Presse in Italien, die generell häufig überzeichnet, sowohl mit positiver als auch negativer Kritik, lobte und feierte ihn durchweg. Seine Leistungen waren aber auch unbestritten gut, zusätzlich erzielte er vier Tore in 17 Serie A-Einsätzen. Die Spielfreude, die ihm unter Koeman abgegangen war, war ihm wieder anzumerken. In einer jungen, talentierten Mannschaft, die nicht mehr wie früher mit Altstars den Erfolg zu erzwingen versuchte, verzeichnete er wieder einen Formanstieg.

Möglicher Titel mit Spaniens U21 

Mittlerweile weilt Deulofeu mit der spanischen U21-Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft in Polen. Heute (20:45 Uhr) trifft die „La Rojita“ im Finale auf Deutschland und ist klarer Favorit. Während Italien den Deutschen gehörige Probleme bereitete, dominierte Spaniens Nachwuchs im Halbfinale vor allem in der 2. Halbzeit gegen das Team um Bernadeschi und Donnaruma. Beim 3:1 erzielte Saul Niguez alle Tore seiner Elf, eines schöner als das andere. Mit 22 Jahren zählt Niguez zu den aufstrebendsten Kickern der Welt.

Deulofeu geht bei solchen Vorstellungen wie der von Saul fast ein wenig unter. Dabei hat er seine Form bei Milan auch ins Nationalteam konserviert. Seine enorme Schnelligkeit und Technik am Ball macht ihn zu einem schwer zu stoppenden Spieler. Anders als in der A-Nationalmannschaft, für die er auch schon zwei Mal am Ball war, ist Deulofeu eine Führungsfigur bei der U21. Er geht voran, trägt die Kapitänsbinde um den Oberarm und hat trotz seines jungen Alters viel zu berichten.

Er hat in den besten Ligen der Welt gespielt. Mit Messi, Lukaku oder Donnaruma. Er kennt die Schattenseiten des Fußballs genauso wie die glitzernden Momente, in denen man einfach nur spielt, ohne großartig nachzudenken. Früh verglichen sie ihn mit Lionel Messi – wie so viele Talente. Er selbst meint, dass die Vergleiche ihn in seiner Entwicklung beeinträchtigt haben, weil sie die Erwartungshaltung bei den Fans zu hoch geschraubt haben. Doch er ist keine gescheiterte Fußballerexistenz. All das hat er mit 23 Jahren erlebt.

Nach dem Finale will er sich um seine Zukunft beschäftigen. Seine guten Leistungen zuletzt haben Eindruck hinterlassen, auch beim FC Barcelona. Die Katalanen haben bekanntlich noch immer eine Rückkaufoption in Höhe von 12 Millionen Euro. Offenbar erwägen sie ihren verlorenen Sohn als Alternative zu Neymar oder Messi zu verpflichten. Wenn Barcelona ernst macht, könnte Deulofeu wieder ein neues aufregendes Kapitel zu seiner Profilaufbahn hinzufügen. Hoffentlich kommen dann zu den sechs Pflichtspielen noch ein paar mehr hinzu.

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