Basketball

NBA: Schmaler Grat zwischen Jugend forscht und erfolgreicher Gegenwart in Philadelphia

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Ein bekanntes Sprichwort besagt, dass viele Wege nach Rom führen. Im Sport ist das erwünschte Ziel aber nicht die ewige Stadt, sondern in allererster Linie der Erfolg des Individualsportlers, der Mannschaft oder des gesamten Vereins. Doch auch hier gilt das gleiche Muster: Viele, teils völlig unterschiedliche Strategien bringen Fortschritt und positive Ergebnisse. In der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA gibt es aufgrund des komplexen Systems dutzende Methoden und Taktiken, um ein Team an die Spitze zu führen.

Manche NBA-Teams wie die Clevland Cavaliers setzen auf zwei bis drei Stars und füllen die restlichen Kaderplätze mit billigen, soliden Rollenspielern auf, die in bestimmten Bereichen des Basketballs Spezialisten sind, beispielsweise in der Verteidigung oder im Dreipunktewurf. Andere Franchises wie die Dallas Mavericks verpflichten vermehrt ältere Spieler, die mit ihrer Erfahrung die fehlende Schnelligkeit kompensieren sollen und als Mentoren den wenigen jungen Spielern zur Seite stehen.

Und dann gibt es die Mannschaften, die junge Talente horten und sammeln wie Pokemons. Seit 2013 verfolgen die Philadelphia 76ers eine derartige Philosophie. Konstant ist seitdem nur, dass sie erfolglos sind und Jahr für Jahr die Anzahl der Saisonniederlagen überbieten. 2013/14 kamen sie auf 19 Siege bei 63 Niederlagen, 2014/15 gewannen sie 18 Spiele und in der vergangenen Saison fuhr die Mannschaft aus Pennsylvania 10 Siege und peinliche 72 Niederlagen ein.

Um die Leistungsfähigkeit aller NBA-Teams zu gewährleisten hat die Liga ein Modell eingeführt, dass den schlecht abschneidenden Franchises aus der Vorsaison im sogenannten NBA-Draft die Möglichkeit lässt, die besten jungen Spieler von den amerikanischen Colleges oder aus Europa unter Vertrag zu nehmen. Die erfolgreicheren Teams dürfen ihre Spieler erst zum Schluss wählen und bekommen die weniger talentierten Spieler.

Doch nicht zwangsläufig geht eine Verjüngungskur im Zuge des Drafts mit einer erfolgreichen Zukunft einher. Ihren damaligen Leistungsträger Jrue Holiday tauschten die „Sixers“ im Sommer 2013 für den Nummer-6-Pick Nerlens Noel ein. Ein Jahr später durfte Philadelphia an Position 3 draften, sie entschieden sich für den kamerunischen Center Joel Embiid. Dieser musste allerdings die beiden letzten Saisons wegen Fußverletzungen komplett aussetzen und wird sein erstes NBA-Spiel voraussichtlich erst im Oktober 2016 bestreiten.

Nach einer weiteren verkorksten Saison verpflichteten die 76ers im Sommer 2015 Jahlil Okafor an 3. Stelle. Okafor legte zumindest offensiv gute Zahlen auf (17,5 Punkte pro Spiel), doch in einer unerfahrenen Truppe, in der die besten Spieler Noel, Robert Covington und er selbst waren, schien der 20-jährige maßlos überfordert. Die langanhaltende Erfolglosigkeit nötigte den General Manager Sam Hinkie mitten in der Saison im April 2016 seinen Job aufzugeben. Bryan Colangelo, der Sohn des Vorsitzenden Jerry Colangelo, übernahm seinen Posten.

Mit dem neuen GM zog eine neue Mentalität ein in die Stadt, die von 1790-1800 Nationalhauptstadt der USA gewesen ist. Er kündigte an, zwei bis drei Stars nach Philadelphia in Folge der Free Agency zu locken (vertragslose Spieler können in der Free Agency von jedem NBA-Team verpflichtet werden). Dieses Unterfangen misslang, auch weil die großen Stars im Hier und Jetzt erfolgreich sein wollen. Bis der Erfolg in Philadelphia einzieht, wird es noch einige Jahre dauern, die ersten Schritte leitete Bryan Colangelo aber schon jetzt ein.

Nach der 10-Siegesaison wählten die 76ers an erster Position das australische Top-Talent Ben Simmons. Mit seinen 2,08 m kann Simmons für einen Mann seiner Größe den Ball außerordentlich gut dribbeln, er verfügt über einen hohen Basketball-IQ und ist ein starker Passgeber. Eine seiner großen Stärken ist, dass er den Fastbreak mit seinem eigenen Rebound am defensiven Brett einleiten kann und danach durch seine Schnelligkeit und Dribbelfähigkeit den anderen Spielern ermöglicht sich in gute Abschlusspositionen zu bringen, während er auf dem Spielfeld nach der besten Anspieloption fahndet. Seine größte Schwäche ist der Distanzwurf, mit seinen 20 Jahren wird er aber noch viel Zeit haben sich in diesem Bereich weiterzuentwickeln.

Die Hoffnung, dass die kommende Saison besser wird als die letzte, trägt auch Dario Saric. Der Kroate wurde 2014 von den Philadelphia 76ers gedraftet, spielte die letzten beiden Jahre aber noch für Anadolu Efes in Istanbul. Mit seinen 2,08 m ist der 22-jährige Kroate ein ähnlicher Spielertyp wie Simmons. Auch er kann gut mit dem Ball umgehen und ist ein hervorragender Passgeber.

Mit Gerald Henderson und Jerryd Bayless konnte Colangelo die dringend benötigte Erfahrung verpflichten. Unter dem früheren GM Hinkie wären die Verpflichtungen eines 28-jährigen und 27-jährigen noch unvorstellbar gewesen. Darüber hinaus sind beide solide Werfer, die die Pässe von Simmons, Saric und Sergio Rodriguez verwandeln sollen. Der 30-jährige Point Guard Rodriguez wagt nach sechs Jahren bei Real Madrid den erneuten Sprung über den großen Teich. Der Spanier mit dem voluminösen Bart verfügt über eine großartige Courtvision, sucht immer den freien Mann, kann aber auch gut von außen werfen.

Mit einem fitten Joel Embiid, Simmons, Saric und Rodriguez sieht die Zukunft in Pennsylvania nicht mehr ganz so düster aus wie noch vor einem Jahr. Bis zu einem Playoff-Einzug dürfte es aber noch ein paar Jahre dauern. Statt volle Fokussierung auf „Jugend forscht“ wie unter Sam Hinkie, sucht Bryan Colangelo jetzt die Balance zwischen Jugend und Erfahrung.

 

 

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