Basketball

NBA: Blitzableiter und Frankenwein

Die Houston Rockets gehen als größter Gewinner aus der Free Agency. Mit Chris Paul hat sich ein erfahrener Star den Texanern angeschlossen, mit diesem sie den NBA-Champion Golden State in Angriff nehmen können. Auch in anderen Städten hat sich einiges getan.

Im Sommer, wenn sich die Hitze staut und abends häufig mal zu einem Gewitter entlädt, ist in der NBA gerade Sommerpause. Abgesehen von der NBA Summerleague, in der sich hoffnungsvolle Talente für höhere Aufgaben empfehlen, wird nicht gespielt. Fans des US-Basketballs mussten in diesem Jahr nicht lange warten, bis Blitz und Donner die Welt um das orangene Leder erschütterten. Zwar gehen, nach heutigem Stand, Golden State und Clevland noch immer als Favoriten in die kommende Saison. Viele andere Mannschaften haben die Lücke zu den beiden durch kluge Geschäfte zumindest verkleinern könnnen.

Am 1. Juli begann die Free Agency in der NBA, in der vertragslose Spieler, entweder ein neues Team finden können oder unter anderen Bedingungen bei ihrem bisherigen Team unterschreiben. Damit die Chancengleichheit zwischen allen Franchises wenigstens halbwegs gewahrt wird, gibt es in jedem Jahr eine Gehaltsobergrenze – den sogenannten Salary Cap, der 2017/2018 bei 99 Millionen Dollar liegt. Gibt eine Mannschaft mehr Gehalt aus, wird sie von der Liga mit einer Luxussteuer bestraft. Das Geld, was dort zusammenkommt, kommt in einen Topf. Dieses Geld wird an alle Teams ausgeschüttet, die sich an die Spielregeln halten und die Grenze nicht überschreiten.

Die ganze Free Agency ist eine Wissenschaft für sich. Monatelang tüfteln die General Manager aller 30 NBA-Teams, wie sie die Gehälter am besten verteilen, um im besten Falle sowohl in der Gegenwart als auch in der Vergangenheit konkurrenzfähig zu sein. Eine Meisterschaft lässt sich Anfang Juli nicht gewinnen, verspielen kann man sie jedoch schon zu diesem Zeitpunkt – etwa dann, wenn eine Mannschaft den falschen Spielern zu viel Geld nachwirft. Die Free Agency ist zwar noch nicht vorbei. Bis zum Start der Playoffs im April dürfen sich vertragslose Spieler noch neuen Herausforderungen verschreiben. Trotzdem gibt es einige Teams, die aller Wahrscheinlichkeit nach nicht um die obersten Ränge mitspielen.

Verlierer der Free Agency: 

Indiana Pacers

Paul George war der unumstrittene Starspieler der Indiana Pacers. Mit neuem Personal wollten die Pacers vor Beginnn der Saison 2016/2017 die Spitze in der Eastern Conference angreifen. Doch dieses Vorhaben schien von Anfang an wenig erfolgsversprechend. Nur mit Mühe erreichten sie die Playoffs, dort war bald nach einem 0:4 gegen Clevland Endstation. Paul George wollte daher schnell weg aus Indianapolis. Bis auf Myles Turner gibt es wenig Talent in den Reihen der Pacers.

Für George kamen nach der Saison nur zwei Szenarien infrage: Entweder bleibt er noch ein Jahr in Indiana, um 2018 dann als Free Agent in seiner Heimatstadt Los Angeles dabei zu helfen, die Lakers wieder groß zu machen. Oder er wechselt per Trade zu einem Team, das sich mehr Hoffnungen auf einen tiefen Playoff-Lauf macht als Indiana. Nebenbei hält George sich die Option offen, das Team nach nur einer Spielzeit zu verlassen und in Los Angeles zu unterschreiben. So geschah es auch. Paul George wechselte Anfang Juli zu den Oklahoma City Thunder.

Normalerweise bekommt ein Team, das ihren besten Spieler verliert, ein großes Paket an Draftpicks und einigen gestandenen Spielern, die den Verlust so gut es geht auffangen sollen. Doch Indiana handelte ein Geschäft aus, das die General Manager anderer Teams noch heute am Verstand von Kevin Pritchard zweifeln lässt. Der General Manger der Pacers bekommt Domantas Sabonis und Victor Oladipo aus Oklahoma. Sabonis hat erst ein Jahr NBA hinter sich, ist solide, aber sicherlich kein künftiger Allstar. Oladipo sollte in Oklahoma von Russell Westbrook mehr Verantwortung nehmen, das schaffte er nur ansatzweise. Zudem müssen die Indiana Pacers den teuren Oladipo-Vertrag über 84 Millionen Dollar und vier Jahre aufnehmen, den die Thunder mit ihm aushandelten und der den Salary Cap der Pacers arg belastet.

Sicher war der Abgang von George aus Indiana kein Geheimnis mehr, Pritchard hätte jedoch warten sollen, bis sich bessere Angebote ergeben. Auch der ehemalige Allstar von 2015 Jeff Teague verlässt Indiana nach nur einem Jahr gen Minnesota. Monta Ellis und C.J. Miles sind weg. Mit Bojan Bogdanovic kommt ein guter Schütze aus Washington, doch er wird bald 30 und auch Darren Collisons beste Tage sind gezählt. Immerhin verstärkt Cory Joseph, der als zweiter Spielmacher hinter Kyle Lowry bei den Toronto Raptors gefiel, die Mannschaft. Dennoch: Indiana dürfte mit den Playoffs auch in der schwächeren Eastern Confernce nicht viel am Hut haben.

New York Knicks 

Es gehört zu den seltsameren Handlungen, seinen President of Basketball ein paar Tage vor der Free Agency zu entlassen. Dass diese Maßnahme längst überfällig war, da sind sich alle Experten einig. Der ungewöhnliche Zeitpunkt passt allerdings in das Bild, das die Knicks von sich selbst zeichnen. Eine seit Jahrzehnten strukturlose Franchise, ohne Weitblick geführt, die eigentlich mit ihrem großen Namen, dem Madison Square Garden und den vielen Fans Standortvorteile haben müsste.

Phil Jackson hieß der Präsident, der im März 2014 sein Amt bei den Knicks antrat. Damals lagen große Hoffnungen auf dem damals schon 68-jährigen, der als Trainer mit den Chicago Bulls und den Los Angeles Lakers Basketball-Geschichte geschrieben hatte. Doch seitdem hatten die New York Knicks in jedem Jahr eine negative Bilanz, in der letzten Saison mit nahmhaften Spielern wie Derrick Rose, Kristaps Porzingis oder Carmelo Anthony.

Jackson konnte seine Qualitäten als Trainer in New York nie auf die Führungsebene übertragen. Den vielen Trainern, die in seiner Amtszeit kamen und gingen, schrieb er die Taktik vor. Sie sollten die „Triangel Offense“ spielen und trainieren lassen. Mit dieser Offensivtaktik hatte er schon mit Kobe Bryant und Michael Jordan große Erfolge gefeiert, die Spieler wie Anthony hatten aber nie Lust auf jenen pass- und lauflastigen Spielstil.

Auch abseits des Platzes wirkten Jacksons Handlungen unüberlegt. Carmelo Anthony gab er eine Klausel in seinen Vertrag, die ihn langfristig in New York binden sollte. Anthony durfte nicht gegen seinen Willen verschachert werden. Zwei Jahre später drängte Jackson mit aller Vehemenz darauf, Anthony vom Hof zu jagen. Aber Jackson verscherzte es sich nicht nur mit Anthony, sondern auch mit dem talentierten Letten Porzingis. Dieser betonte immer wieder seine Verbundenheit mit Anthony, das Verhältnis von Porzingis und Jackson vergiftete sich. Ende Juni diesen Jahres gab es Gerüchte, dass Phil Jackson Porzingis nach Boston abgeben wolle.

Jacksons Entlassung war folgerichtig. Die Planung der Knicks in der Free Agency wurde somit aber erschwert. Ron Baker, ein Lichtblick im Vorjahr, gab man einen neuen Vertrag. Ansonsten blieb es vorerst sehr ruhig in New York. Bis die vorübergehende Leitung der Kaderplanung dann Tim Hardaway Jr. ein Angebot von 71 Millionen Dollar über 4 Jahre unterbreiteten, das die Atlanta Hawks mitgehen konnten. Die Hawks aber verzichteten und Hardaway kehrte an den Ort zurück, wo er erst vor zwei Jahren noch gespielt hatte.

Bei den Knicks kam er damals wenig zum Zug, ihn wollten sie loswerden. Hardaways Gehalt war da jedoch noch recht gering, was er jetzt verdient übersteigt den Wert um ein Vielfaches. Hardaway verbesserte sich letzte Saison in Atlanta deutlich. Sein neuer Vertrag wirkt aber wie ein Schuldeingeständnis von Seiten der Knicks, die ihn nicht auf ein höheres Level brachten, das er jetzt in Atlanta erreichte. Derrick Rose wird in der nächsten Saison vermutlich nicht in New York spielen, wahrscheinlich auch Carmelo Anthony nicht. Ob das jetzt gut oder schlecht für die Knicks ist, lässt sich schwer einordnen. Eins ist klar: Die New York Knicks polarisieren, aber auch in der nächsten Saison eher neben als auf dem Feld.

Atlanta Hawks

Dennis Schröder, der deutsche Point Guard, steht plötzlich ziemlich alleine da. In den vergangenen Playoffs 2017 hat er starke 24,4 Punkte und 7,7 Assists verbucht. Atlanta schied in der zweiten Runde aus, wie schon im Vorjahr. Da das Zusammenspiel mit Dwight Howard selten von Erfolg gekrönt war, haben sich die Teamverantwortlichen mit den Charlotte Hornets auf einen Trade des „Supermans“ geeinigt, im Gegenzug kam Miles Plumlee.

Nachdem auch Paul Millsap, der beste und verlässlichste Hawks-Spieler der letzten Jahre, in der Free Agency seinen Abschied nach Denver verkündete, trägt Dennis Schröder fortan das Team auf seinen Schultern. Tim Hardaway Jr. lieferte als dynamischer, athletischer Shooting Guard eine starke Saison ab, den Restricted Free Agent wollte Atlanta aber nicht für die abgegebene Summe der Knicks halten.

Bei Restricted Free Agents kann das bisherige Team, anders als bei Unrestricted Free Agents bei jedem Angebot eines anderen Teams gleichziehen. Die 71 Millionen waren den Hawks jedoch zu viel. Jose Calderon, Mike Dunleavy, Kris Humphries und Thabo Sefolosha haben außerdem keine Zukunft in Atlanta. Die Hawks stehen momentan vor einem Umbruch, anders als bei Indiana oder New York wurde dieser jedoch von nicht von schlechtem Management oder dämlichen Entscheidungen der General Manager beeinflusst.

In diesem Sommer hing alles von Paul Millsap ab. Atlanta hatte wenig Einfluss auf dessen Entscheidung, bereits im Vorfeld der Free Ageny war der Abschied Millsaps erwartet worden. Der 31-jährige verdient bei den Nuggets 90 Millionen Dollar in drei Jahren. Wenn sich Dennis Schröder nach dem Sommer in der Kabine der Hawks umblickt, wird er einige bekannte Gesichter nicht mehr vorfinden. Schröder, der 2013 in die Liga kam, ist mit 23 Jahren der beste Spieler und Anführer der neuen jungen Hawks. Atlantas Fans müssen sich erst einmal gewöhnen, dass die Hoffnungsträger nicht mehr Hardaway, Millsap oder Sefolosha heißen, sondern Taurean Prince oder John Collins.

Die Gewinner der Free Agency

Houston Rockets

Bereits am 28. Juni 2017 schlugen mehrere Blitze in die Zentralen vieler NBA-Teams ein. Die Houston Rockets, schon in der Vorsaison auf Rang drei in der Western Conference geklettert, sicherten sich in einem unübersichtlichen Trade Chris Paul von den Los Angeles Clippers. Lou Williams, Sam Dekker, Montrezl Harrell, DeAndre Liggins, Patrick Beverly, Darun Hilliard, Kyle Wiltjer und ein Erstrundendraftpick 2018 wanderten dafür in die „Stadt der Engel“.

Auf dem Basketballfeld wird sich das neue Duo James Harden und Chris Paul den Ballvortrag teilen. Bis auf Beverly und Williams ist der Kern der Mannschaft zusammengeblieben. Beverly spielt als Point Guard zudem die gleiche Position wie Paul und war abkömmlich. Eric Gordon, Trevor Ariza und Ryan Anderson sind genau wie Paul und Harden tödlich von der Dreierlinie. Dazu Clint Capela, der zwar kein Lowpost-Spiel hat, aber im Pick and Roll mit Harden schon angedeutet hat, dass er für die ein oder andere Sternschnuppe gut ist.

In der Verteidigung ist Capela als Würfeblocker der benötigte Blitzableiter. Mit Nene Hilario konnten die Rockets einen offensiv sehr versierten Big Man für wenig Geld halten. P.J. Tucker kam aus Toronto, ein starker Verteidiger, der die Schwächen von Harden und Anderson in der Defensive kaschieren kann. Vielleicht stößt Carmelo Anthony auch noch zu den Houston Rockets, ein weiterer exzellenter Offensivspieler.

Anthony würde es sicherlich guttun abseits des Balles die offenen Würfe zu nehmen, die Harden und Paul ihm bieten. In etwa so wie beim Team USA während der Olympischen Spiele 2016, als Anthony nicht primär als balldominanter Lenker des Spiels gefragt war, aber trotzdem einer der besten Spieler des Turniers war. Die Konkurrenz darf gespannt sein. Houston ist hinter den Golden State Warriors einer der heißesten Anwärter auf die NBA Finals.

Golden State Warriors 

Jene Warriors haben sich im Juni zum zweiten Mal innerhalb von drei Jahren zum Meister gekrönt. Die Gefahr, dass Spieler, die im Schatten der absoluten Topstars stehen, bei so starken Mannschaften abspringen, ist immer da. Bei den Warriors ist das anno 2017 aber überhaupt nicht der Fall. Shaun Livingston wurde gehalten, genau wie Andre Iguodala, David West und Zaza Pachulia. NBA Finals MVP Kevin Durant verzichtete sogar auf etwas Geld, damit die Warriors den Salary Cap nicht überstrapazieren. Für Stephen Curry blieb dennoch genügend Gehalt übrig, in den nächsten fünf Jahren verdient er 201 Millionen Dollar. Das sind zwar alles unfassbare Geldsummen, aber durch gigantische Fernsehverträge ist in der NBA zurzeit so viel Geld im Umlauf, dass zwangsläufig irgendjemand davon profitieren muss.

David Bell, einen diesjährigen Zweitrundenpick, gaben die Chicago Bulls an die Warriors ab. Bell hat Potenzial, im gut geölten Gebilde Golden States könnte er sich entwickeln. Nick Young kam von des Los Angeles Lakers und hat das große Problem mit seiner Wurfauswahl in den Griff bekommen. Omri Casspi unterschrieb wie Young einen Einjahresvertrag. Wer gedacht hat, dass die zweite Reihe, die X-Faktoren wie Livingston oder Iguodala auseinanderfällt, hat sich definitiv getäuscht.

Der Großverdiener

James Harden war in diesem Sommer kein Free Agent. Er verlängerte seinen Vertrag aber gleich um weitere vier Jahre bis 2023. Ab der Saison 2019/2020 verdient „the Beard“ 228 Millionen Dollar.

Der Asket

Dirk Nowitzki hat bei den Dallas Mavericks ein neues Arbeitspapier unterschrieben, was ihm im nächsten Jahr 5 Millionen Dollar einbringt, obwohl ihm mehr Gehalt angeboten wurde. Und er hat nicht zum ersten Mal freiwillig auf Geld verzichtet. In der kommenden Saison verdienen Spencer Hawes, Ed Davis und Cole Aldrich mehr Geld als Nowitzki. Hawes spielt nicht einmal 15 Minuten pro Partie. Davis markiert 4,3 Punkte pro Partie bei Portland. Aldrich kommt auf 1,7 Punkte im Schnitt bei den Timberwolves. Wer um alles in der Welt sind eigentlich diese drei Herren?

Exportschlager Bundesliga

In diesem Jahr sind bereits einige deutsche oder ausländische Spieler aus der Bundesliga in die NBA gewechselt. Daniel Theis gewann mit Bamberg die deutsche Meisterschaft und ist jetzt für die nächsten zwei Jahre Mitglied der Boston Celtics, die mit neuem Allstar Gordon Hayward die Clevland Cavaliers vom Thron des Ostens stoßen wollen. P.J. Tucker, deutscher Meister mit Bamberg 2012, wechselt von den Toronto Raptors zu den Houston Rockets. Malcom Miller kommt von Alba Berlin derweil nach Kanada zu den Raptors. Auch Bradley Wanamaker, im Moment bei Darussafaka Istanbul angestellt und früherer Bamberger, wird mit den Denver Nuggets in Verbindung gebracht. Darius Miller, ehemaliger Spieler der New Orleans Pelicans und ehemaliger Bamberger, wechselt zu den New Orleans Pelicans. Gewohntes Umfeld also für ihn. Maxi Kleber muss sich bei den Dallas Mavericks ebenfalls nur wenig umstellen, denn als gebürtiger Würzburger bildet er mit Nowitzki jetzt die Frankenwein-Fraktion. In New York gibt es China-Town, in Dallas Franconian-Town.

 

 

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