Luka Doncic ist ein Phänomen. Mit nicht einmal 20 Jahren erobert der Slowene derzeit die NBA. Derweil übergibt Dirk Nowitzki das Zepter der Dallas Mavericks an Doncic.
„Ich hörte, es gab ein Wunderkind, den einige Mannschaften verschmähten.“ So beginnt der Song „Halleluka“, den das US-Podcast-Netzwerk The Ringer vor kurzem veröffentlicht hat. Zur Melodie des Lieds „Halleluja“ von Leonard Cohen wird darin die Geschichte des 19-jährigen Luka Doncic nacherzählt, der Fans, Spieler und Trainer der NBA derzeit in seinen Bann zieht.
Beim NBA Draft im vergangenen Juni galt Doncic als einer der besten Talente aller zur Auswahl stehenden Spieler. Da der Slowene jedoch für Real Madrid in Europa und eben nicht auf einem College in den USA gespielt hatte, flog er bei den Teamverantwortlichen unter dem Radar.
Phoenix und Sacramento verzichten auf Doncic
Das Team mit dem ersten Auswahlrecht, die Phoenix Suns, entschieden sich für DeAndre Ayton, einen 2,16-Meter-Center von der Universität in Arizona. An Position zwei wählten die Sacramento Kings Marvin Bagley, einen 2,11-Meter-Hünen, der für die renommierte Duke-Universität auf Korbjagd ging. Anders als Ayton konnte Bagley bisher kaum Fuß fassen in der besten Basketball-Liga der Welt. Mit dem Wissen von heute hätten Phoenix und vor allem Sacramento aber eine andere Wahl getroffen: Luka Doncic.
In Europa hatte sich Doncic längst einen Namen gemacht. Bereits mit 16 Jahren debütierte der 2,01 Meter große Profi für die erste Mannschaft von Real Madrid. In den folgenden drei Jahren machte Doncic in jeder Saison Fortschritte. In der Spielzeit 2017/2018 übernahm der Teenager sogar die Führung, wuchs in die Rolle des Denkers und Lenkers, obwohl Real Madrid zu den drei, vier besten europäischen Klubs zählt. Und wenngleich Doncic erst im Februar 20 Jahre alt wird, staunt mancher Veteran über dessen Trophäenschrank.
Alles gewonnen in Europa
2017 gewann Doncic mit Slowenien die Europameisterschaft, für ein Land mit zwei Millionen Einwohnern. In der Heimat besitzt Doncic seitdem den Status eines Nationalheiligen. Auch auf Klubebene sorgte er für Furore – sowohl mit der Mannschaft als auch individuell: Euroleague-Sieger 2018, spanischer Meister 2018, bester Spieler in Spanien, bester Spieler der Euroleague und des Finales.
Gegegenüber allen anderen Erstjahresprofis, den sogenannten Rookies, hatte Doncic einen entscheidenden Vorteil: Er hatte Erfahrung auf höchstem europäischen Niveau gesammelt, unter anderem in der Euroleague, im zweitbesten Wettbewerb der Welt. Doncic musste sich gegen erwachsene Männer beweisen. Der Schritt in die NBA war für ihn deshalb nicht so riesig wie für College-Absolventen, die ständig gegen andere Teenager antraten.
Dallas pokert, und gewinnt
Während die meisten NBA-Rookies sich zunächst schwertun und weniger eingesetzt werden als etablierte Profis, ist bei Doncic alles anders. Er ist bei den Dallas Mavericks untergekommen, wo der 40-Jährige Dirk Nowitzki seine Abschiedstournee genießt und nach 21 NBA-Jahren voraussichtlich im Frühjahr seine Karriere beendet. Dallas zog Doncic im Draft an Position drei, obwohl die Franchise ursprünglich an 5. Stelle dran war. Also fädelte Dallas ein Tauschgeschäft mit den Atlanta Hawks ein und gelangte so an seinen Wunschspieler, das von anderen verschmähte Wunderkind aus Europa.
In Texas soll Doncic die nächste Ära prägen. Nowitzki, über Jahre das Gesicht der Franchise, hat den Staffelstab weitergegeben – an den halb so alten Doncic. Geht das Projekt auf? Und ob: Seit dem NBA-Saisonstart Mitte Oktober begeistert Donic nicht nur die eigenen Fans, es hat sich ein Hype auf dem gesamten Basketball-Globus entwickelt. Im Durchschnitt erzielt der Slowene 20,3 Punkte, kein Mitspieler punktet besser. Bei den Rebounds steht der nominelle Small Forward bei 6,7. Zudem liefert er 5,1 Vorlagen pro Spiel. Seine Feldwurf- (43,6 Prozent) und Dreierquote (37,2 Prozent) runden die positive Einschätzung über ihn ab.
Nowitzki: „Er spielt mehr wie ein Veteran“
Am Ende von knappen Spielen geht nicht etwa der 26-Jährige Harrison Barnes voran, die Verantwortung übernimmt Donic. „Er spielt mehr wie ein Veteran als ein 19-Jähriger“, wird Nowitzki nicht müde zu betonen. Auch der Deutsche ist vom Hype erfasst: „Er wird für lange Zeit ein großartiger Spieler sein“, vermutet der gebürtige Würzburger. Lob bekommt Doncic selbst von Stars wie Steph Curry, LeBron James und Draymond Green. Der Profi der Golden State Warriors sagte nach einem Duell gegen die Mavericks im Dezember: „Der Junge ist gut. Er hat alles. Er wird ein richtiges Problem werden. Er ist jetzt schon eins, aber er wird richtig lange richtig gut sein. Es macht Spaß ihm zuzusehen. Er hat dieser ganzen Franchise wieder einen Schub gegeben.“
Vor dem Draft zweifelten viele Experten an Doncic. Er würde Probleme wegen seiner mangelnden lateralen Geschwindigkeit bekommen und ihm fehle es an NBA-Athletik, so der Tenor. Die Kritikpunkte waren nicht unbegründet: Gerade in der Verteidigung werden Doncic seine Grenzen aufgezeigt. Obendrein verliert er noch zu häufig den Ball, weil er als Passgeber falsche Entscheidungen trifft. Dennoch überwiegen die positiven Aspekte.
Seine Stärken
Doncics Fähigkeiten ergeben sich aus seiner Technik, Cleverness und Unbekümmertheit: Souverän bringt er den Ball ins gegnerische Feld. Dort angekommen profitieren seine Mispieler von Doncics kaum erlernbaren Instinkten und exzellenter Spielübersicht, seine Spezialität: hohe Anspiele auf den 2,11-Meter-Sprungwunder DeAndre Jordan. Darüber hinaus schafft er es immer wieder, seinen eigenen Wurf zu kreieren – auch in Korbnähe. Sein Arsenal an Finten ist umfangreich, was ihm ermöglicht, auf unterschiedliche Art abzuschließen. Daneben ist sein tödlicher Stepback-Dreier, bei dem er vor dem Wurf einen kleinen Schritt zurück macht, längst zu seinem Markenzeichen geworden.
Im vergangenen Jahr gewannen die Mavericks nur 24 von 82 Saisonspielen. In der laufenden Spielzeit haben sie nach 44 Spielen bereits 20 Siege eingefahren. Im umkämpften Westen wird die Bilanz vermutlich nicht für die Playoffs reichen. Sollte Doncic so weitermachen, würde er allerdings in einen exlusiven Zirkel einziehen: Mindestens 20 Punkte, 6 Rebounds und 5 Assists in der ersten NBA-Saison schafften nur Oscar Robertson (1960/61) und Michael Jordan (1984/85). Doncic liegt momentan auf Kurs, der Dritte zu werden.