In einem Jahr verwandelt sich das American-Football-Team Oakland Raiders in die Las Vegas Raiders. Die Casino-Hochburg im US-Bundesstaat Nevada bastelt seit Jahren an ihrem Image als Sport-Stadt. Nur ob das neue Projekt aufgeht, weiß noch niemand.
21 Grad Celsius beträgt die jährliche Durchschnittstemperatur in Las Vegas, selbst im Winter muss zumindest tagsüber niemand vor Kälte bibbern. Dennoch spielen die 2017 neugegründeten Las Vegas Knights in Nevada sogar NHL-Eishockey. In einer Stadt, in der sich Wüstenfüchse und Geldgeier die Klinke in die Hand geben, wirkt der Kufensport eher fehl am Platz. Doch in der T-Mobile Arena herrscht munteres Treiben, mehr als 18.000 Zuschauer besuchen regelmäßig die Heimspiele.
Selbstverständlich wird der für Las Vegas so typische Entertainment-Faktor auch beim Eishockey großgeschrieben: Visuelle Effekte werden auf die Eisfläche gezaubert, Trommler mit LED-Brillen heizen den Fans ein und die Arena kann mit einer kleinen integrierten Festung aufwarten. Das Team heißt nicht umsonst Golden Knights. Und vor jedem Spiel nimmt es der goldene Ritter höchstpersönlich in einem Schaukampf mit einem Ritter des Gäste-Teams auf – und triumphiert wieder und wieder. An Reizüberflutung mangelt es nicht.
In diesem Trubel wird hochklassiges und sogar sehr erfolgreiches Eishockey geboten; in ihrer ersten Saison waren die Golden Knights das Überraschungsteam schlechthin, erst im Finale um den Stanley Cup mussten sie sich den Washington Capitals geschlagen geben.
Mehr als 40 Millionen Touristen zieht es jährlich nach in die Casino-Hochburg Las Vegas. Eishockey richtet sich aber hauptsächlich an die rund zwei Millionen Einheimischen der Metropolregion, die das Angebot dankbar annehmen. Auch Boxkämpfe sind Höhepunkte in Las Vegas: Muhammad Ali stieg hier in den Ring, Floyd „Money“ Mayweather Jr. kassierte wahnwitzige 400 Millionen US-Dollar für seinen Punktsieg gegen Manny Pacquiao.
Umzug der Oakland Raiders
Ab 2020 wird in Las Vegas nicht nur Eis zerkratzt oder Nasen blutig geschlagen, sondern auch hart getackelt, spektakulär gefangen und vorausschauend antizipiert. Die American-Football-Franchise der Raiders zieht aus Oakland (Kalifornien) nach Las Vegas. Anders als im europäischen Profisport sind solche Standortwechsel in den USA nichts ungewöhnliches. Wie so häufig spielen die Finanzen die größte Rolle.
Raiders-Besitzer Mark Davis gehört zu den vergleichsweise ärmeren Team-Eigentümern. Mit der Aussicht auf Zuschüsse in Höhe von 750 Millionen US-Dollar vonseiten der Stadt Las Vegas und den Bau eines neuen Stadions, das insgesamt 1,8 Milliarden US-Dollar kosten soll, hat sich Davis für den Umzug starkgemacht. Einzig Stephen Ross, Besitzer der Miami Dolphins, sträubte sich im Kreise der 32 Besitzer gegen einen Umzug der Raiders. „Wir als Eigentümer und als Liga sind es den Fans schuldig, dass wir alles tun, um in den Kommunen zu bleiben, die uns unterstützt haben“, sagte er. Doch Ross war bei der 31:1-Abstimmung pro Las Vegas in der klaren Minderheit.
45 Jahre spielten die Raiders in Oakland, der schmucklosen Schwester von San Francisco. Schwache Industrie, Kriminalität und Arbeitslosigkeit prägten das Bild über die letzten Jahre, doch die Fans strömen nach wie vor ins Oakland Coliseum. Viele davon mit barbarisch aussehenden Kostümen und Masken, entsprechend dem schwarz-silbernen Logo der Raiders: einem Pirat mit Augenbinde. Ist dieses Image auf Las Vegas übertragbar?
Chargers als Mahnung
In der neuen Stadt müssen die Leute das Produkt American Football allerdings auch wollen. Warnendes Beispiel, wie aus einem Umzug ein Reinfall werden kann, sind aktuell die Los Angeles Chargers. Vor zwei Jahren ließen sie ihre langjährige Heimat San Diego hinter sich. Heute schaffen es die Chargers häufig nicht einmal, das mit Abstand kleinste Stadion der NFL (27.000 Plätze) zu füllen.
Mark Davis jedenfalls versucht die eigenen Anhänger zu beschwichtigen: „Es ist bittersüß. Ich verstehe die Fans in Oakland, die sauer und enttäuscht sein werden. Raider Nation ist die beste Fanbase in der Welt, wir werden etwas bauen, das sie stolz macht“, sagte der Besitzer bei der Bekanntgabe des Umzugs. Doch ob die passionierten Raiders-Fans aus Oakland ihrem Team in Las Vegas die Treue halten, kann noch niemand mit Gewissheit sagen.
Wahrscheinlich hofft Davis auch auf alteingessessene Football-Fans aus Los Angeles, die die 4-Stunden-Reise mit dem Auto nach Las Vegas auf sich nehmen könnten. Zwischen 1982 und 1994 residierten die Raiders in der Stadt der Engel, um 1995 nach Oakland zurückzukehren und nun diese Stadt erneut zu verlassen. Für den Weg von Oakland nach Las Vegas säße man zehn Stunden im Auto. Für den Sonntagsausflug mit der Familie stehen andere Destinationen wohl höher im Kurs.