Die Kansas City Chiefs (6-2) sind in der amerikanischen Footballliga NFL nach zwei Niederlagen am Stück mit einem 29:19 gegen die Denver Broncos (3-4) in die Erfolgsspur zurückgekehrt. Denvers Defensive stoppte zwar das Laufspiel um Kareem Hunt, offensiv lieferte Quarterback Trevor Siemian indes eine Vorstellung zum Vergessen ab.
Alex Smith, der Quarterback der Kansas City Chiefs, ist nicht wiederzuerkennen. Lange galt der 33-jährige als Spielverwalter, der grobe Fehler zwar vermeidet, aber das Risiko scheut. In der Diskussion um den mittelmäßigsten Quarterback der NFL belegte Smith immer einen der vorderen Plätze. Beim Draft 2005 wurde er mit hohen Erwartungen an allererster Stelle ausgewählt – vor Aaron Rodgers. Seitdem wird Smith diese Tatsache vorgehalten.
2011 brachte er San Fransisco ins NFC Championship Game, ein Jahr später verletzte er sich mitten in der bis dato sehr erfolgreichen Saison. Colin Kaepernick wurde zum Starter erklärt, auch als Smith wenige Wochen später wieder einsatzfähig war. 2013 zog es Smith weiter nach Kansas. Ironie des Schicksals: Kaepernick begann im September 2016 aus Protest gegen die Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung bei der Hymne zu knien. Seinen Ruf bei den Teambesitzern hat er so dermaßen kaputt gemacht, dass er nun arbeitslos ist – und Smith ist erfolgreich wie nie.
Seit dem Saisonauftakt Anfang September gegen die New England Patriots, den amtierenden Meister, spielt Smith wie ausgewechselt. Dem konservativen Spielstil ist ein mutiger, dynamischer gewichen. Immer noch ist der 33-jährige sehr bedacht in seinen Entscheidungen, doch er traut sich die schwierigen Pässe zu. Mit Erfolg.

Akkurater als Tom Brady
16 Touchdowns hat er schon geworfen. Dabei hat Smith kein einziges Mal das Lederei unglücklich in die Hände der Gegenspieler befördert. Eine famose Statistik. Selbst Tom Brady hat 2017 schon zwei Ballverluste hinnehmen müssen. Über die Karriere gesehen hat Smith 62 Prozent seiner Passversuche angebracht, in diesem Jahr steht er bei 69 Prozent. In Amerika ist der personifizierte Durchschnittsspieler zum Kandidaten für den Preis zum wertvollsten Spieler der Liga geworden.
Möglicherweise hat ihn die Konkurrenzsituation mit Rookie Pat Mahomes zum besagten Formanstieg getrieben. Beim Draft im April sicherte Kansas sich den 22-jährigen Quarterback. Manche Beobachter vermuteten, dass Mahomes die Zügel schon im Verlauf seiner ersten Saison erhalten würde, gerade nach dessen starken Eindrücken in der Vorbereitung. Doch Smith steht sicherer denn je am Steuerruder der Chiefs. Die drohende Absetzung beantwortete der Routinier mit einer Leistungssteigerung, die man von einem erfahrenen Quarterback schon lange nicht mehr gesehen hat.
Unterstützung von Hunt
Ganz auf sich allein gestellt ist Smith indes nicht. Unterstützung, die er im Vorjahr nicht hatte, erhält er von Runningback Kareem Hunt. In jedem Spiel hat der Rookie über 100 Yards aufs Statistikbrett gezimmert. Bis gestern, zum Spiel gegen die Broncos. In Woche 8 der NFL hielt die Verteidigung Denvers den neuen Shootingstar bei nur 68 Yards und mageren 2, 1 Yards pro Lauf. Doch so chancenlos wie Hunt immer wieder gegen Mauern anrannte, musste sich auch Trevor Siemian gefühlt haben.
Der Quarterback offenbarte erneut große Probleme, vor allem wenn Kansas City ihn unter Druck setzte. Dann waren seine Improvisationsfähigkeiten gefragt. Doch die waren an diesem Abend katastrophal. Insgesamt drei Ballverluste gingen auf sein Konto. Siemian braucht zu lange, um Entscheidungen zu treffen. Dazu gesellten sich technische Fehler, zu kurze oder unpräzise Pässe. Bei Ballverlust Nummer zwei und drei wirkte es so, als ob er den ersten gutmachen wollte.
Etwas Erzwingen wollen im American Football, das klingt nach keiner guten Idee. Das weiß auch Alex Smith, der beileibe keine Glanzvorstellung ablieferte. Doch anders als Smith agierte er weitgehend fehlerfrei. Im Notfall wirft er den Ball lieber ins Aus, anstatt dem Gegner mit einer Interception das Angriffsrecht zu schenken. Beim Touchdown-Pass auf Travis Kelce nutzte er ein herbes Missgeschick von Passverteidiger Darian Stewart aus.
Kansas gehört dank Smith, Hunt, Kelce und dem schnellen Tyreek Hill offensiv zur Spitzenklasse in der NFL. Auch wenn die Defensive noch erheblich Verbesserungsbedarf hat, Alex Smith hat nicht nur die Möglichkeit MVP zu werden, sondern auch sein Team in den Super Bowl zu führen.