Die Tampa Bay Buccaneers und ihr Star-Quarterback Tom Brady haben den Super Bowl als erste Mannschaft der Geschichte im eigenen Stadion gewonnen. Im Finale der National Football League (NFL) gegen Vorjahressieger Kansas City Chiefs setzten sie sich deutlich mit 31:9 durch. Im Vorfeld hatten die meisten Experten ein knappes Spiel erwartet. Brady hat mit nun sieben gewonnenen Super Bowls mehr als jedes NFL-Team.
In den zwei Wochen vor dem Super Bowl wurden Stärken und Schwächen beider Finalisten umfassend thematisiert, auch das erste Duell beider Teams in Woche 12 der regulären Saison kam selbstverständlich zur Sprache. Ende November hatten die Tampa Bay Buccaneers die Kansas City Chiefs schon einmal im Raymond James Stadium empfangen.
In der ersten Halbzeit überrollten die Chiefs ihren Gegner, der brillante Quarterback Patrick Mahomes warf für 359 Yards – eine Gala in den ersten beiden Vierteln. Am Ende verbuchte Mahomes 462 Yards und drei Touchdowns, ohne eine Interception zu werfen. Tyreek Hill, der pfeilschnelle Receiver der Chiefs, war seinem Verteidiger Carlton Davis ständig entwischt und hatte zum Schluss stolze 269 Receiving Yards zu Buche stehen.
Im Laufe der zweiten Halbzeit entwickelte sich dennoch ein enges Spiel. Die Chiefs brachten nur noch sieben Punkte zustande, die Buccanneers hatten mit ihren defensiven Anpassungen Erfolg und spielten sich auch offensiv mehr und mehr in einen Rhythmus.
Am Ende verlor Tampa Bay mit 24:27, was damals noch niemand wusste: Es sollte ihre letzte Niederlage der Saison bleiben. Wie gerufen für die Buccaneers kam damals eine spielfreie Woche, eine sogenannte Bye Week, in der sie die Fehler dieses Spiels und der vergangenen Wochen gründlich analysieren konnten. Mit 7 Siegen und 5 Niederlagen stand die Mannschaft von Trainer Bruce Arians im Playoff-Rennen arg unter Druck.
Was Teams mit Tom Brady indes oft auszeichnet, ist die Qualität in der entscheidenden Saisonphase am besten vorbereitet und am nervenstärksten zu sein. Unter Druck entfaltet der resiliente Brady seine Extraklasse, in den vergangenen Jahren hat er das mehr als genug bewiesen.
In den diesjährigen Playoffs besiegten die Buccaneers erst die Washington Redskins (31:23), dann zwang man die New Orleans Saints (30:20) in die Knie. In den beiden Divisionsduellen hatten die Buccaneers klar gegen die Saints den Kürzeren gezogen (23:34, 3:38). Im NFC Championship Game waren die Buccaneers Außenseiter; was sie nicht davon abhielt die Green Bay Packers (31:26) um MVP-Quarterback Aaron Rodgers auszuschalten. Bis auf den Super Bowl trat Tampa in den Playoffs ausschließlich auswärts an.
Verletzungsgeplagte Chiefs
Auch vor dem Super Bowl hatten viele Sachverständige Kansas City einen kleinen Vorteil eingeräumt. Im letztjährigen Super Bowl gegen die San Francisco 49ers hatten die Chiefs einen zwischenzeitlichen 10:20-Rückstand innerhalb der letzten acht Spielminuten wettgemacht und dank dreier später Touchdowns das Spiel doch noch mit 31:20 gewonnen.
Auch wenn die Chiefs gegen die Buccaneers ohne ihre beiden Starter auf den Offensive-Tackle-Positionen Mitchell Schwartz und Eric Fisher auskommen mussten, galten Mahomes, Tyreek Hill und Tight End Travis Kelce vorab als permanente Gefahrenherde, die man höchstens eindämmen, aber nicht ausschalten kann.
Vor dem Finale gegen die Kansas City Chiefs war gemutmaßt worden, dass die Buccaneers 30 oder mehr Punkte machen müssten, um das Spiel zu gewinnen. Womit eigentlich niemand gerechnet hätte: Es hätten auch zehn gereicht.
Die Chiefs waren über 60 Minuten nicht imstande, einen Touchdown gegen Tampa Bay zu erzielen. Lediglich Kicker Harrison Butker konnte seiner Mannschaft an diesem Abend mit drei Field Goals zu Punkten verhelfen. Zur Halbzeit stand es 21:6 für Tampa, in der zweiten Hälfte kamen nur noch wenige Zähler hinzu.
Ein Comeback der Chiefs wie im Jahr zuvor blieb aus, so war mit Spielende und dem 31:9-Endstand zugleich ein Novum perfekt: Tampa Bay gewann als erstes NFL-Team der Historie einen Super Bowl als Gastgeber im heimischen Stadion. Linebacker Lavonte David stellte sich nach dem Spiel stolz vor die Kameras und sagte: „An uns wird man sich für immer erinnern.“ Im nächsten Jahr findet der Super Bowl in Los Angeles statt.
Besonnener Brady
Tom Brady warf einen Touchdown auf Antonio Brown und zwei auf Tight End Rob Gronkowski, der ihn bereits bei den New England Patriots begleitet hatte. Gronkowski fing insgesamt 6 Pässe für 67 Yards. Die beiden anderen Top-Receiver Chris Godwin (2 Receptions, 9 Yards) und Mike Evans (1 Reception, 31 Yards) blieben weitestgehend blass.
Brady wurde den Ball schnell los, spielte wenig spektakulär, aber fehlerlos und warf auch keine Interception (21/29 Pässe, 201 Yards, 3 Touchdowns). Nach dem Spiel erhielt er seine fünfte MVP-Auszeichnung in einem Super Bowl.
Mit einigen Play-Action-Konzepten und effizienten Screen-Pässen auf die Tight Ends fanden die Buccaneers immer wieder Lücken in der gegnerischen Defense. Es war kein Kanonenhagel der Buccaneers, die Grundlage für die offensive Ausbeute bildete ein durchdachter Matchplan gepaart mit einem unaufgeregtem Quarterback – eine gute Mischung wieder einmal.
Die Statistiken der beiden hochgelobten Passempfänger der Chiefs Travis Kelce (10 Receptions, 133 Yards) und Tyreek Hill (7 Receptions, 73 Yards) lesen sich zwar ganz in Ordnung, aber beide sammelten viele Yards ein, als das Spiel aufgrund des hohen Rückstands bereits dahinplätscherte. Chiefs-Receiver Mecole Hardman (2 Receptions, 4 Yards) war sehr unauffällig.
Die Chiefs stellten sich jedoch auch immer wieder selbst ein Bein. Die Schiedsrichter bestraften bei ihnen elf Vergehen für 120 Yards Raumverlust, während die Buccaneers nur 39 negative Yards verursachten. Auch eine Interception von Chiefs-Safety Tyrann Mathieu wurde durch eine Holding-Strafe von Charvarious Ward zurückgewiesen.
Im Laufspiel brachte Rookie Clyde-Edwards Helaire in 9 Versuchen 64 Yards zustande. Auf Tampas Seite lief Ronald Jones zwölfmal für 61 Yards. Leonard Fournette überzeugte mit 89 Yards und einem Touchdown bei 16 Läufen. Im Finale hatte er sogar als Receiver Erfolg, was im Laufe der Saison nicht immer der Fall gewesen war. Er fing jeden seiner vier Targets für 46 Yards.
Defensiv dominante Buccaneers
Das Spiel hatte relativ wenige spielerische Highlights zu bieten, was vor allem an der Verteidigung der Buccaneers lag. Wäre es möglich nicht nur einen Spieler zum wertvollsten Akteur des Finales (MVP) zu wählen, sondern auch einen Trainer, wäre Todd Bowles ein geeigneter Kandidat gewesen.
Der Defensive Coordinator hatte seine Strategie aus dem ersten Duell gegen die Chiefs (viel Man Coverage, Single-High-Looks und Blitzing) auf den Prüfstand gestellt. Mit dem Ergebnis, dass Tampa Bay im Super Bowl fast nur mit zwei tiefen Safetys verteidigte, selten blitzte, punktuell Man Coverage einstreute und ansonsten Zone Coverage spielte. Seine Entscheidung, die eigenen Prinzipien in diesem Spiel über Bord zu werfen, um die Erfolgschancen zu steigern, war beachtlich und stellte sich als goldrichtig heraus.
Die Buccaneers spielten exzellente Passverteidigung, wodurch sie Tyreek Hill und dessen Sprintstärke aus dem Spiel nahmen. Die Passvertediger um Carlton Davis, der im ersten Aufeinandertreffen der Saison einen gebrauchten Tag hatte, wuchsen über sich hinaus. Individuell betrachtet blieben die Spieler der Chiefs hinter den Erwartungen zurück, aber auch Headcoach Andy Reid fand strukturell keine Antworten auf die Dominanz der Buccaneers-Defense.
Mahomes (26/49 Pässe, 270 Yards, 2 Interceptions) versuchte fünf Pässe über 20 Yards, wovon keiner ankam und aus einem eine Interception resultierte. Die sonst so explosive Offense der Chiefs stotterte und hatte auch bei kurzen Pässen kaum Erfolg. Tampas Linebacker Lavonte David verteidigte hervorragend gegen Kelce. Es war eine defensive Teamleistung, die zum Kollaps der Chiefs-Offense führte.
Linebacker Devin White verzeichnete 12 Tackles, darunter zwei für Raumverlust. Ndamukong Suh hatte 1,5 Sacks. Devin White und Antoine Winfield konnten jeweils eine Interception fangen. Shaq Barrett (1 Sack, 4 Quarterback-Hits), Jason-Pierre Paul und Vita Vea waren immer wieder schnell im gegnerischen Backfield und stoppten die Offensivaktionen der Chiefs frühzeitig.
Der 68-jährige Cheftrainer Bruce Arians lobte hinterher seinen defensiven Assistenten: „Du kannst ihm gar nicht genug Tribut zollen. Ich glaube, er war es leid geworden, ständig zu hören, wie unaufhaltsam sie doch wären. Ich denke, er hat sich einen fantastischen Plan einfallen lassen“, sagte Arians, der zum ältesten Headcoach wurde, der je einen Super Bowl gewann.
Bowles selbst fasste die Leistung der Spieler schnörkellos zusammen. „Während die Jungs vorne auf die Jagd gingen, haben die Jungs hinten gecovert. Wir haben uns heute gegenseitig sehr gut ergänzt“, sagte der ehemalige Headcoach der New York Jets. Auch Brady würdigte die Arbeit des ganzen Teams: „Wenn du so weit kommst, musst du den Job auch erledigen. Wir haben unser bestes Spiel der Saison gemacht“, sagte er.
Viele Blitze, bei denen zusätzliche Verteidiger auf den Quarterback zustürmen, waren auch nicht erforderlich. Die Buccaneers schafften es mit dem standardmäßigen 4-Men-Rush Mahomes konstant unter Druck zu setzen. Die Offensive Line der Chiefs war komplett überfordert – speziell die beiden Ersatzspieler auf den Tackle-Positionen.
Andrew Wylie, ein gelernter Guard, sah als rechter Tackle kein Land. Left Tackle Mike Remmers erging es ganz ähnlich. Mahomes hatte kaum Zeit in der Pocket und versuchte immer wieder dem Pass Rush der Buccaneers davonzulaufen. Doch bei seinen Scrambles fand er nur selten freie Passempfänger.
Bei 29 seiner 56 Dropbacks stand Mahomes unter Druck, während Bradys Offensive Line dichthielt. Im Vergleich zu Mahomes stand der Routinier bei nur 4 von 30 Dropbacks unter Druck. Mahomes hatte nach der Partie nur lobende Worte für die defensive Glanzleistung Tampa Bays übrig.
„Sie hatten einen guten Gameplan. Sie haben unsere tiefen Sachen alle weggenommen, sie haben die Würfe nach außen weggenommen und sie haben gut getackelt. Wir haben Fehler gemacht, aber sie verdienen Anerkennung. Sie haben ein herausragendes Spiel gespielt“, sagte der 25-Jährige.
Die Erfahrung hoher Niederlagen ist für Mahomes ziemlich fremd: „Ich glaube so deutlich wurde ich seit sehr langer Zeit nicht mehr besiegt.“ Es war erst die zweite Playoff-Niederlage in der NFL für Mahomes überhaupt. Vor zwei Jahren musste er sich im AFC Championship Game den New England Patriots geschlagen geben, für die Brady seinerzeit noch gepielt hatte.
Bradys Vermächtnis wird immer beeindruckender
Und dieser 43-jährige Quarterback schrieb erneut Sportgeschichte. Superlative und neue Rekorde sind für Tom Brady bereits an der Tagesordnung, so kurios das klingt. Mit seinem siebten Super Bowl hat er nun mehr gewonnen als jede NFL-Franchise, die beiden Rekordhalter Pittsburgh Steelers und die New England Patriots haben beide sechs. Den Super Bowl gibt es seit 1967, zuvor wurde das Finale als NFL Championship Game deklariert.
Brady führt auch mit weitem Abstand die Liste der Quarterbacks mit den meisten NFL-Playoff-Touchdowns an. Brady hat 83, die beiden zweitplatzierten Joe Montana und Aaron Rodgers kommen auf 45.
Des Weiteren distanziert Brady mit seinen 34 Playoff-Siegen den Zweiten in dieser Kategorie um Längen. (Joe Montana, 16 Playoff-Siege). Zudem sind Peyton Manning und jetzt auch Brady die einzigen Quarterbacks, die einen Super Bowl mit zwei verschiedenen Teams gewinnen konnten.
Besonders eindrucksvoll ist die Tatsache, dass Brady erst im März 2020 das Team wechselte. Nach 20 extrem erfolgreichen Jahren bei den New England Patriots hätten wohl die meisten Profisportler aufgehört. Schon zu diesem Zeitpunkt musste er niemandem mehr etwas zu beweisen.
Brady ist der erste Quarterback, der den Super Bowl in drei verschiedenen Jahrzehnten gewonnen hat, 2002 reckte er zum ersten Mal die Vince Lombardi Trophy in die Höhe – Patrick Mahomes war da gerade einmal sechs Jahre alt. Selbst sechs Super Bowls hat kein Spieler außer Brady gewonnen. Dass er Titel Nummer sieben in seinem ersten Jahr gewinnt, ist atemberaubend und beispiellos.
Da er eine völlig neue Offense inklusive der Terminologie erlernen musste, hatten nur die wenigsten damit gerechnet, dass er gleich im ersten Jahr dermaßen erfolgreich sein würde.
Die restlichen NFL-Teams könnten ins Grübeln kommen, nachdem die Vergangenheit gezeigt hat, dass ein Quarterback in seinem zweiten Jahr in einer Offense von Bruce Arians noch besser wird. Arians gibt Brady Freiheiten, er lässt ihn selbst Entscheidungen auf und neben dem Feld treffen – anders als der schroffe Patriots-Coach Bill Belichick, dem eine wechselhafte Beziehung zu Brady nachgesagt wurde.
Andere Star-Quarterbacks lassen im Alter merklich nach, Brady dagegen scheint die Zeit anzuhalten und stellt nicht für möglich gehaltene Rekorde auf. Brady ist aber viel mehr als nur der reine talentierte Pocket-Passer, sein Effekt auf ein ganzes Team ist unschätzbar: Seine Führungsstärke und sein Siegeswillen hat immensen Einfluss auf Mitspieler wie Trainerteam.
Wenn er eine Kabinenrede hält, lauschen seine Kollegen wie Schulknaben. Ihnen ist bewusst, dass sie Teil der Sportgeschichte sind, solange sie mit ihm zusammenspielen. „Er ist der großartigste Football-Spieler, der je gespielt hat. Ich kann meinen Kindern davon erzählen, dass ich mit dem Mann gespielt habe“, sagte Running Back Leonard Fournette.
Allein Bradys Anwesenheit und seine Aura können ein Team mitreißen, selbst wenn er mal einen schlechten Tag hat und sportlich enttäuscht. Es hat auch den Anschein, als ob seine Mitspieler das Bedürfnis haben, sich für ihn aufzuopfern. Brady bringt eine Mannschaft dazu, an sich zu glauben. Er ist das beste Beispiel für außergewöhnliche Errungenschaften, von seinem Selbstverständnis und üppigem Erfahrungsschatz profitieren seine Mitspieler.
Während viele andere Kollektive an Drucksituationen verkrampfen, ziehen Brady-Teams aus solchen ihre Kraft. Besonders gut passt eine Ausführung der Sports Illustrated zu dieser Thematik: „Er hat jetzt zum siebten Mal am Ende der Saison seine Belohnung erhalten, weil er sein gesamtes Team dazu bringt, zu denken, zu handeln und an sich zu glauben wie Tom Brady.“
Mahomes ist athletischer, schneller und spielt spektakulärer als Brady, doch der Oldie ist ein Anführer, ein detailverliebter Workaholic und Perfektionist, für den der Begriff Gewinnertyp fast schon untertrieben ist. Arians würdigte Brady nach dem Super Bowl: „Er ist ein Gewinner. Das ist alles, was man sagen kann. Er brachte eine Siegermentalität in ein wirklich talentiertes Footballteam, das nicht wusste, wie man gewinnt.“
In der vergangenen Saison gewannen die Tampa Bay Buccaneers nur sieben Spiele und verloren neun. Mit dem damaligen Quarterback Jameis Winston verpassten sie immer die Playoffs, zuletzt erreichte Tampa Bay 2007 die Postseason.
Brady hat die Franchise in kürzester Zeit transformiert. Selbst die größten Optimisten unter den Buccaneers-Fans hätten wohl nicht erwartet, dass ihr Team den Umschwung so schnell schafft. Brady hat immer wieder betont noch spielen zu wollen, bis er 45 Jahre alt ist. Das wären noch zwei weitere Jahre, heißt für Brady ganz konkret: zwei weitere Chancen, den Titel nach Tampa zu holen.