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Fußball: Was die Bundesliga vom American Football lernen könnte

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Der Videobeweis ist das kontroverseste Thema im deutschen Fußball. Viele Fans verweisen darauf, dass es immer noch zu Fehlern kommt. Andere schwören auf die erhöhte Gerechtigkeit. Warum es aber keine absolute Gerechtigkeit gibt und was der Fußball vom American Football lernen könnte.

Der Irrglaube, der Videobeweis verhindere Fehler des leitenden Schiedsrichters im Laufe eines Spiels, ist mittlerweile revidiert worden. An fast jedem Sonntagsstammtisch wird mindestens eine Schiedsrichterentscheidung des Spieltags ausdiskutiert. Andererseits gibt es kaum noch eindeutige Fehler.

„Der Videobeweis hat seinen Anspruch, den Fußball gerechter zu machen, erfüllt. Das zeigt die Hinrunde der Bundesliga, in der 40 falsche Entscheidungen korrigiert wurden. Die Spiele sind wesentlich fairer geworden“, sagte Lukas Brud, Geschäftsführer des International Football Association Board (IFAB), kürzlich dem kicker. Das IFAB berät und beschließt mögliche Regeländerungen im Fußball.

Keine absoluten Wahrheiten

Unentdeckte Tätlichkeiten hinter dem Rücken des Schiedsrichters oder Strafstöße, bei denen der Tatort außerhalb des Strafraumes liegt, gibt es (fast) nicht mehr. Wer sich vom Videobeweis absolute Wahrheiten verspricht, wird allerdings enttäuscht sein.

Erst am Mittwoch beim DFB-Pokalspiel zwischen ​Werder Bremen und ​Bayern München führte ein äußerst ​umstrittener Elfmeterpfiff zum Sieg der Bayern: Werder-Verteidiger Theodor Gebre Selassie hatte Kingsley Coman im Strafraum leicht mit dem Ellbogen berührt, der Franzose fiel zu Boden, Schiedsrichter Daniel Siebert zeigte auf den Punkt.

Fakt ist, dass der Video-Schiedsrichter dem Referee nur dann eine Überprüfung empfehlen darf, wenn dessen Entscheidung klar und offensichtlich falsch ist. Der Schiedsrichter darf auch von sich aus die Szene noch einmal überprüfen. Das tat Daniel Siebert allerdings nicht, was die Bremer Spieler und Verantwortlichen nicht begreifen konnten.

„Wenn er sich das angeguckt hätte, hätte er, glaube ich, nicht gepfiffen“, sagte Bremens Trainer Florian Kohfeldt: „Neun von zehn Schiedsrichtern hätten da nicht gepfiffen.“ Kohfeldts Ärger richtete sich dennoch weniger gegen Siebert, der nach Rücksprache mit Köln bei seiner Entscheidung blieb, als vielmehr gegen den Video-Assistenten Robert Kampka. Der hätte stärker intervenieren müssen, sagte Kohfeldt. „Ich bin normal ein großer Freund des Videobeweises, aber mit diesem Elfmeterpfiff könnte ich besser leben, wenn es keinen Videoschiedsrichter gegeben hätte“, sagte er.

Ob ein Schiedsrichter einen Elfmeter gibt oder eben nicht, hängt enorm vom Interpretationsspielraum des jeweiligen Spielleiters ab. Reicht demjenigen ein sachtes Trikotzupfen oder pfeift er nur bei groben Vergehen? Selbst die Auffassung des Videoassistenten vor den Bildschirmen in Köln muss nicht immer mit der des Hauptschiedsrichters übereinstimmen. Auch die Regelung zum Handspiel ist oft Auslegungssache.

Vom American Football lernen

Obwohl vollkommene Fairness nicht realistisch ist, gibt es für DFL und DFB Verbesserungsbedarf. Beim American Football in den USA gibt es längst den Videobeweis. Der Hauptschiedsrichter, mit Mikrophon ausgerüstet, muss die getroffene Entscheidung lauthals für alle Zuschauer im Stadion und an den Bildschirmen verkünden. Dieses Vorgehen plus die Wiederholung der Szene auf den Videoleinwänden im Stadion würde die Transparenz und Akzeptanz des Videobeweises erhöhen.

In der NFL haben die Trainer mithilfe sogenannter Challenge-Flags die Möglichkeit, Entscheidungen zweimal pro Partie überprüfen zu lassen. Geben die Unparteiischen dem Trainer Recht, bekommt er eine weitere Möglichkeit des Anfechtens. Hat er Unrecht, wird dem Team eine Auszeit abgezogen. Auszeiten gibt es im Fußball zwar nicht, das Protestrecht in die Hände der Trainer zu legen, schafft für alle Beteiligten indes mehr Übersichtlichkeit. Im Fußball sollte jeder Trainer nur eine begrenzte Anzahl an Aktionen anfechten dürfen, damit der Spielfluss nicht komplett zerstört wird.

Der Videoassistent würde nur eingreifen, wenn ein Trainer sich davon Vorteile verspricht. Der Videoassistent hätte somit ein klar definiertes Aufgabenfeld und mehr Klarheit, in welchen Fällen er einschreiten darf. Aktuell erfolgt ein Eingriff durch den Video Assistant Referee nur bei „klaren, offensichtlichen Fehlentscheidungen“. Und das ausschließlich bei vier Situationen: Tore, Strafstöße, glatt Rote Karten und Spielerverwechslungen.

Außerdem würden die Trainer sich nicht mehr in dem Maße über ausbleibende Pfiffe beschweren, da sie ja selbst hätten handeln können. Spielentscheidende Szenen wie Tore sollten allerdings immer überprüft werden. Aus DFB-Schiedsrichterkreisen heißt es, dass der DFB sich gerne am American Football orientiert hätte, die IFAB das aber nicht erlaubt hat.

Auch die Dauer der Entscheidungsfindung wird beim Videobeweis häufig kritisiert. Natürlich geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Damit aber keine der beiden Mannschaften benachteiligt wäre, sollte der Fußball über die Einführung einer Nettospielzeit von 60 Minuten nachdenken. Das Gesetz „ein Fußballspiel dauert 90 Minuten“ ist nicht mehr zeitgemäß. Mannschaften, die gegen einen ebenbürtigen Gegner knapp vorneliegen, profitieren regelmäßig von der Bruttospielzeit und subtilem Zeitschinden. Da ändert auch die häufig zu kurze Nachspielzeit wenig.

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