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Fußball: Warum die Handspielregel immer Diskussionen hervorrufen wird

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Die Regeln zum Handspiel im Fußball verursachen unaufhörliche Diskussionen. Nur wenige Fans blicken noch durch. Es verfestigt sich der Eindruck, dass Meinungsverschiedenheiten nicht verhindert werden können – egal wie die Regel umgesetzt wird.

Am Samstagnachmittag tobte Lucien Favre. ​Dortmunds Trainer sprach von einem „großen Skandal“ und meinte: „Wir wollen, dass die Spieler ihre Arme abschneiden.“ Was war passiert? Schiedsrichter Felix Zwayer hatte im Spiel gegen den ​FC Schalke 04 in der 17. Minute auf den Elfmeterpunkt gezeigt, erst nachdem der Videoassistent Guido Winkmann ihn aufmerksam gemacht hatte, dass Julian Weigl der Ball an die Hand gesprungen war. Auf dem Feld war Weigls Handspiel dem Spielleiter entgangen. Nach eigener Ansicht der Bilder in der Review Area entschied Zwayer auf Strafstoß.

Aber war Weigls Handspiel wirklich strafbar? Der sportliche Leiter der Bundesligaschiedsrichter, Lutz Michael Fröhlich, hat seine Meinung unmissverständlich kundgetan: Zwayer habe gesehen, „wie der Dortmunder Spieler Weigl in eine Abwehraktion zum Ball geht. Er ist also klar orientiert zum Ball. Dabei ist sein linker Arm seitlich vom Körper abgespreizt, schwingt in die Flugbahn des Balles und wehrt den Ball letztendlich ab.“ Dies seien die Fakten, „die in der derzeitigen Regelauslegung einen Strafstoßpfiff rechtfertigen“, erklärte Fröhlich. Er könne nicht nachvollziehen, wenn von „wirrer Regelauslegung“ gesprochen wird oder auch davon, dass „keiner mehr weiß, was Handspiel ist“.

Kann der Blick auf die Fakten Fröhlich rechtgeben? Die Regel 12 des Deutschen Fußball-Bundes regelt den Bereich „Fouls und unsportliches Betragen“ und darin auch das Handspiel. Der Abschnitt im Wortlaut: „Ein Handspiel liegt vor, wenn ein Spieler den Ball absichtlich mit der Hand oder dem Arm berührt. Folgendes ist zu berücksichtigen:

  1. die Bewegung der Hand zum Ball (nicht des Balls zur Hand),
  2. die Entfernung zwischen Gegner und Ball (unerwarteter Ball),
  3. die Position der Hand (das Berühren des Balls an sich ist noch kein Vergehen).

Eine Bewegung der Hand zum Ball war allerdings nicht erkennbar. Die Entfernung Weigls zum Ball war zudem sehr gering, es konnte also von einem „unerwarteten Ball“ gesprochen werden. Beides wäre ein Argument dafür, keinen Strafstoß zu geben. Punkt 3 stützt indes die Entscheidung des Schiedsrichters. Zwayer erklärte, der Dortmunder Spieler habe seine Körperfläche vergrößert: „Der Arm ist auf Schulterhöhe ausgestreckt und der Ball wurde damit geblockt.“ Kann man dagegen argumentieren? Ja und Nein.

Man merkt, die Handspielregel lässt viel Interpretationsspielraum. Auch der Videoassistent kann das Problem der Interpretation nicht lösen. Manchmal spricht genauso viel für ein Handspiel wie dagegen. Dass zwei sehr ähnliche Situationen zu jeweils unterschiedlichen Pfiffen führen, ist nicht unwahrscheinlich. Ob Absicht, keine Absicht, aktive Bewegung oder nicht: Der Blickwinkel, die Betrachtungsweise und die Auffassung über eine bestimmten Situation können sich mitunter erheblich unterscheiden.

Sky-Experte und Ex-Schiedsrichter Markus Merk merkte an, die Szene sei „nie und nimmer ein Elfmeter“. Außerdem muss man auf Grundlage der Fernsehbilder bedenken, dass Weigl den Ball nicht mit der Hand blocken will. Er tut es aber unabsichtlich, weil der Arm zur Wahrung seiner Balance im Zweikampf etwa auf Schulterhöhe ausgestreckt ist. Kann man gegen Merk sowie gegen Punkt 3 argumentieren? Ja und Nein.

Ittrich: „Es wird nie zu 100 Prozent Klarheit geben“

Schiedsrichter Patrick Ittrich äußerte sich im NDR Sportclub skeptisch ob künftiger Regelanpassungen. „Es wird nie zu 100 Prozent Klarheit geben“, sagte er. „Wir haben als Schiedsrichter den Ermessensspielraum. Auch beim Handspiel“, so Ittrich. „Deshalb wird es von verschiedenen Schiedsrichtern bei ähnlichen Situationen auch immer wieder verschiedene Entscheidungen geben.“

​Leverkusens Trainer Peter Bosz hat eingeworfen, dass man bei jedem Handspiel im Strafraum Elfmeter pfeifen könnte. Dann würde Klarheit herrschen. Aber ist der Vorschlag des Niederländers eine sinnvolle Lösung? Viele Spieler würden versuchen, dem Gegner im Strafraum absichtlich an die Hand zu schießen. Beispielsweise aus der Distanz gegen eine massierte, verdichtete Abwehr. Die Anzahl an Elfmetern würde massiv steigen. Fraglich, ob das im Sinne von Zuschauern und Spielern ist. Und was ist, wenn ein Verteidiger den Ball im Strafraum an den angelegten Arm bekommt?

​Wolfsburgs Bruno Labbadia lehnt den Vorschlag von Bosz ab und will Elfmeterpfiffe wie Friedhelm Funkel von Fortuna Düsseldorf nur bei einer Bewegung der Hand zum Ball. Julian Nagelsmann von ​1899 Hoffenheim fordert ein Eingreifen der Schiedsrichter nur bei klar absichtlichen Handspielen.

In Zukunft wird es noch schwieriger sein, den Durchblick zu behalten: Die Regelhüter des International Football Association Board (IFAB) reformierten im März die Handspiel-Regel. Ab der nächsten Saison ist eine unnatürliche Vergrößerung der Körperfläche ebenso strafbar wie ein unabsichtliches Handspiel, das dem Team einen „klaren Vorteil“ verschafft. Ein Ende der Debatten ist nicht in Sicht und – man muss sich das eingestehen – nicht realistisch.

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