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Fußball: Warum man nicht von einer Dortmunder Krise sprechen sollte

unsplash-logoMarvin Ronsdorf

Immer wieder verwiesen die Verantwortlichen von ​Borussia Dortmund im Juli 2018 auf die Schwere der Aufgabe, mit einer veränderten Mannschaft und neuem Trainer, die verkorkste Vorsaison vergessen zu machen. Dass Dortmund die Bundesliga-Tabelle anführt, hatten sie wohl selbst nicht erwartet. Doch im Februar 2019 gibt es die ersten Dellen. Die gestiegene Erwartungshaltung im Umfeld lassen viele von der Krise sprechen, allerdings waren Rückschläge ursprünglich einkalkuliert.

Vor einem Jahr am 22. Spieltag der Saison 2017/2018 gewann Borussia Dortmund gegen den Hamburger SV mit 2:0. Auf dem Platz stand diese Elf: Bürki, Piszczek, Akanji, Toprak, Toljan, Weigl, Kagawa, Pulisic, Reus, Schürrle, Batshuayi. Der BVB rangierte auf dem dritten Rang mit 19 Punkten Rückstand auf den damaligen Tabellenführer Bayern München. Rund zwölf Monate später nehmen viele, wenn sie über Borussia Dortmund sprechen, das Wort Krise in den Mund. Dabei grüßt Borussia Dortmund von der Tabellenspitze, ​Bayern München ist Zweiter und trotz der Dortmunder Misere drei Zähler dahinter.

Am 22. Spieltag der Saison 2018/2019 kamen die Westfalen am Montagabend beim Tabellenletzten 1. FC Nürnberg nicht über ein 0:0 hinaus. Von der Mannschaft, die Hamburg besiegte, standen in Nürnberg mit Roman Bürki und Julian Weigl nur noch zwei Akteure auf dem Rasen; alle anderen spielen mittlerweile woanders oder sind verletzt. ​Natürlich war das Ergebnis enttäuschend. Besonders wenn man bedenkt, dass Nürnberg erst zwei Spiele gewinnen konnte.

Wenn der jüngste Trend anhält, droht Dortmund die Meisterschaft zu verspielen. Vor zwei Wochen betrug Dortmunds Vorsprung auf die Bayern noch sieben Punkte. Seitdem flog die Mannschaft von Lucien Favre im DFB-Pokal gegen Werder Bremen raus. Im Achtelfinale der Champions League steht Dortmund nach dem 0:3 im Hinspiel gegen Tottenham vor dem K.o. Selbst in der Bundesliga gelang in den letzten drei Spielen kein Sieg mehr.

Doch die sogenannte Krise verdient eine umfassende Betrachtung: Zwar sollte Dortmund nach wie vor die Qualität besitzen, ein tiefstehendes Nürnberger Bollwerk zu knacken, allerdings sollte man die Umstände nicht außer Acht lassen. Genauer gesagt: die Verletzungsprobleme. Gegen Nürnberg fehlten Favre drei Schlüsselspieler: ​Manuel Akanji, der langsam zum Abwehrchef heranreift. Christian Pulisic, der ein Leistungsloch durchlebt, aber in Top-Form gehobenes Bundesliga-Niveau verkörpert. Aber vor allem Marco Reus, der derzeit vielleicht beste Spieler der gesamten Bundesliga und Dortmunds emotionaler und spielerischer Hauptdarsteller.

Reus und Sancho brauchen einander

Zu den auffälligsten Stärken von Reus zählen das schnelle Anlaufen des Gegners und das zügige Konterspiel nach Ballgewinn. Der 29-Jährige hat spielerische Antworten auf engstehende Abwehrreihen parat. Reus reißt Lücken für Jadon Sancho, der mit 18 Jahren sehr spektakulär spielt und mit seinen Dribblings die Zuschauer aus den Sitzen hebt. Allerdings vermisst der Engländer aktuell die Spielmacher-Fähigkeiten von Reus. Sancho kommt mit Reus mehr zur Entfaltung als ohne ihn. Dazu fehlen der Mannschaft 13 Tore, die Reus nach 19 Einsätzen in der Bundesliga bereits erzielt hat. Je nach Situation ist sein Abschluss manchmal überlegt, manchmal brachial oder elegant, aber immer äußerst effizient.

„Wenn wir Erklärungsversuche starten, warum es seit zwei Wochen nicht läuft, dann muss man sagen, dass Marco Reus in der Zeit ganz wenig gespielt hat, Lukasz Piszczek ist ein ganz wichtiger Spieler für die Balance, Manuel Akanji war in der Hinrunde unser Abwehrchef“, sagte Sportdirektor Michael Zorc gestern bei Eurosport: „Wenn dann Paco Alcácer auch noch nicht dabei ist – er und Marco Reus haben zusammen 25 Tore geschossen – sind das alles kleine Faktoren, warum wir nicht die Ergebnisse erzielt haben.“

Abgesehen von Anhängern des FC Bayern sehnt sich die Mehrheit der deutschen Fußballfans nach einem neuen Meister; keinem Seriensieger, dessen obligatorische Bierdusche vielen inzwischen zum Hals heraushängt. Schließlich holte Bayern München seit 2013 sechsmal in Folge die Schale. Die Fans wollen einen leidenschaftlich auftretenden Underdog triumphieren sehen, mit jungen Spielern in prominenten Rollen (Sancho, Akanji, Hakimi) – nichts anderes ist Borussia Dortmund.

Spielglück scheint sich auszugleichen

In der Hinrunde gewann Dortmund 13 von 17 Spielen. Einige Erfolge hätten aber auch anders ausgehen können, waren hart umkämpft – wie das 4:3 gegen Augsburg oder das 2:1 gegen Bremen. Dortmund hatte die nötige Fortüne, die sich in der Rückrunde bislang auszugleichen scheint. In Nürnberg wurde dem BVB ein strittiger Elfmeter nach Foul von Tim Leibold an Sancho verweigert, das Tor von Bruun Larsen in der 87. Minute wegen Abseits korrekterweise zurückgepfiffen.

Selbst wenn es am Ende nur zu Platz zwei reichen würde, sollte man die laufende Spielzeit als Erfolg werten. Viele Dortmunder Profis befinden sich erst am Anfang ihrer Karrieren und kennen das Gefühl nicht, als Gejagte den hechelnden Atem der Verfolger zu spüren. Wenn die Invaliden um Reus bald zurückkehren, sollten sich aber schon bald wieder Erfolge einstellen. Vielleicht schon vor heimischer Kulisse am Sonntag gegen Bayer Leverkusen – in der Hinrunde übrigens noch so ein Spiel, das der BVB nach 0:2-Rückstand in ein 4:2 verwandelte.

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