In Deutschland ist der Universitätssport nur von geringem öffentlichen Interesse. In den USA dagegen ist der College-Sport dagegen ein Massenerlebnis – egal ob vor dem Fernseher oder im Stadion.
Knapp 20 Millionen US-Amerikaner schauen jährlich am ersten Aprilwochenende Basketball. Nein, im Blickfeld ist weniger die NBA, die sich kurz vor dem Start der Playoffs im Energiesparmodus befindet, sondern der Entscheidungskampf bei der nationalen Hochschulmeisterschaft. 68 College-Teams spielen im k.O.-System ab Mitte März um die seit 1939 ausgetragene Meisterschaft.
Die Sieger der 32 als Conferences bezeichneten regionalen Divisionen sind für das NCAA (National Collegiate Athletic Association) Tournament automatisch qualifiziert, ein Auswahlkomitee der NCAA vergibt die übrigen Startplätze. Nachdem in den ersten Ausscheidungen vier Mannschaften wegfallen, spielt von nun an eine Setzliste die Hauptrolle. Das Turnier wird in 4 Regionen mit jeweils 16 Mannschaften eingeteilt, von denen jede eine festgelegte Platzierung erhält. So spielt beispielsweise in der Midwest Region das vermeintliche Top-Team gegen die an Position 16 gesetzte Mannschaft, in der South Region trifft die Nummer 2 auf die 15.
Trump verzichtet auf Tradition
In Deutschland würde eine nationale Studentenmeisterschaft höchstens für die regionale Presse relevant sein, in Amerika herrscht dagegen Ausnahmezustand. Vor Beginn des NCAA Tournaments füllen sportbegeisterte Amerikaner unzählige Tippscheine aus, sogenannte Brackets. Jeder kürt seinen eigenen Champion, früher tat das auch Barack Obama. Donald Trump verzichtete auf diese Tradition amerikanischer Präsidenten, vielleicht schienen ihm die Erfolgsaussichten zu niedrig. Laut Forbes liegt die Wahrscheinlichkeit auf ein fehlerfreies Bracket bei 1 zu 9,2 Trillionen.
Die besten vier Mannschaften treffen sich Anfang April zum Final Four. In diesem Jahr fand der Showdown in Phoenix statt, gespielt wurde in einem American-Footballstadion mit Platz für 77.000 Zuschauer – natürlich war jeder Stuhl besetzt.
Die Oregon Ducks, North Carolina Tar Heels, Gonzaga Bulldogs und ein Außenseiter, die South Carolina Gamechocks hatten sich in ihrer Division als Sieger durchgesetzt. Im ersten Halbfinale gewann Gonzaga mit 77:73 gegen South Carolina. Die Gamechocks, die an Position 7 in ihrer Region in das Turnier gestartet waren, blieben trotz der knappen Niederlage das Überraschungsteam der diesjährigen March Madness, wie das Turnier auch genannt wird.
Williams-Goss führt Gonzaga ins Finale
Vor fast jedem Spiel galt South Carolina als Außenseiter, doch nach dem Erfolg gegen die an zweiter Stelle platzierten Duke Blue Devils in Runde 2, ritten die Gamechocks auf der Erfolgswelle. Auch gegen Baylor und Florida trotzten sie ihrer Underdog-Rolle und sicherten sich das Ticket für Phoenix. Gonzaga, an Position 1 gesetzt, war gewarnt – und erfüllte seinen Favoritenstatus. Das lag vor allem an Nigel Williams-Goss (23 Punkte) und Zach Collins, der mit 14 Punkten, 13 Rebounds und 6 Blocks zum X-Faktor avancierte.
Im zweiten Aufeinandertreffen war für die an Position 3 gesetzten Oregon Ducks Endstation gegen die North Carolina Tar Heels. Aus einem anfangs niveauarmen Spiel mit vielen Ballverlusten auf beiden Seiten, entwickelte sich ein spannungsreicher Schlagabtausch, der in einem Krimi an der Linie gipfelte.
Nervenflattern bei North Carolina
Beim Stand von 77:76 für die Tar Heels, ging Kennedy Meeks an die Freiwurflinie, doch er ließ beide Versuche liegen. Mannschaftskollege Theo Pinson schnappte sich den Offensivrebound, passte umgehend weiter zu Joel Berry II, der wiederum an die „Charity Stripe“ („Wohltätigkeitslinie“) wanderte. Zwei vergebene Freiwürfe und ein Offensivrebound von Meeks später, stand der Einzug ins Finale fest. Trotz seines zittrigen Handgelenks am Ende, hieß der Matchwinner Kennedy Meeks. Neben 25 Punkten kam der 22-jährige auf 14 Rebounds – sein letzter ebnete den Sieg.
Im Finale trafen so die beiden nominell besten Mannschaften ihrer Regionen aufeinander. North Carolina wollte die bittere Finalpleite aus dem letzten Jahr gegen die Villanova Wildcats vergessen machen, während Gonzaga Neuland betrat. Sie hatten noch nie zuvor in einem NCAA Final gestanden. Doch von Nervosität war bei den Bulldogs nichts zu spüren, 21:14 die Führung nach etwa elf Spielminuten. Während Gonzaga dominierte, musste North Carolina hart für seine Punkte kämpfen. North Carolinas Justin Jackson schien es allen beweisen zu wollen, die ihn für seinen Dreipunktewurf kritisieren. Die Wurfauswahl des wohl zukünftigen NBA-Spielers war mit 0 Treffern bei 9 Versuchen übertrieben.
Doch North Carolina biss sich zurück in die Partie, Kennedy Meeks war zwar offensiv nicht so auffällig wie im Halbfinale, am defensiven Ende des Feldes ließ er aber die Big Men von Gonzaga um Karnowski und Zach Collins ein ums andere Mal alt aussehen. Bei den Bulldogs lastete der Druck, nachdem für Collins nach seinem 5. Foul das Spiel vorbei war, komplett auf den Schultern von Nigel Williams-Goss. Der Point Guard spielte keineswegs schlecht (15 Punkte, 9 Rebounds, 6 Assists), seine Wurfquote war mit 5 von 17 allerdings ausbaufähig. Nachdem Meeks dessen Floater-Versuch blockte und Jackson per Dunk den anschließenden Schnellangriff abschloss, stand der Sieger fest.
Tar Heels gewinnen, Bulldogs schreiben Geschichte
Mit 71:65 sicherten sich die Tar Heels ihren sechsten Erfolg beim NCAA Tournament. Nigel Williams-Goss konnte seine Tränen nach dem Schlusspfiff nicht verstecken, ein Mitspieler legte den Arm um seine Schulter und sprach ihm Mut zu. Denn eins war jenem klar: Goss hatte die Bulldogs bis ins Finale geführt. Auch wenn die Niederlage sicher noch schmerzt, in der Nachbetrachtung des Turniers werden sich wohl alle Fans einig sein: Die Gonzaga Bulldogs haben Universitäts-Geschichte geschrieben.