Die Basketball-Weltmeisterschaft 2019 in China hatte so manche Überraschung parat: Die USA etwa scheiterten bereits im Viertelfinale an Frankreich, die favorisierten Serbien bissen sich an den Argentiniern ebenfalls in der Runde der letzten Acht die Zähne aus. Über Deutschlands Ausscheiden in der Gruppenphase, insbesondere die schmachvolle Niederlage gegen die Dominikanische Republik, sollte die Decke des Vergessens gelegt werden. Spanien jedoch wurde seinem Ruf als Sportnation wieder einmal gerecht und konnte mit dem zweiten WM-Titel nach 2006 die Erwartungen sogar übertreffen.
Was zeichnet Turniermannschaften aus? Unter anderem dass diese im Laufe eines Wettbewerbs ihre Leistungen steigern. Genau dieses Attribut traf in diesem Spätsommer auf die spanische Basketball-Nationalmannschaft bei der WM in China zu. In der Gruppenphase hatte La Furia Roja zwar keine Mühe mit Tunesien (101:62), doch gegen Puerto Rico (73:63) und beim erst in den Schlussminuten eingesackten Erfolg gegen den Iran (73:65) offenbarte die Mannschaft von Trainer Sergio Scariolo mehr Probleme als angenommen.
Während Serbien als großer Titelfavorit das Publikum in den ersten Partien ins Schwärmen brachte, stotterte der Motor der Spanier noch gewaltig. In der Zwischenrunde trafen beide Teams aufeinander. Die in die Jahre gekommenen Spanier (Durchschnittsalter von 30 Jahren) absolvierten dann gegen die Serben ihre bis dahin beste Turnierleistung und gewannen überraschend deutlich mit 81:69. Die mit NBA- und Euroleague-Stars gespickten Serben übrigens verloren gegen Argentinien auch das zweite Spiel in Folge. Die WM beendeten sie auf Platz fünf, immerhin noch vor den USA, die mit Platz sieben historisch schlecht abschnitten. Der bisherige Tiefpunkt mit dem sechsten Platz bei der Heim-WM 2002 in Indianapolis wurde also noch unterboten.
Im Spiel gegen Serbien wurde deutlich, dass Spanien immer besser einen Rhythmus fand und mit ihrer unangenehmen Verteidigung auch 2019 jeden Gegner zermürben konnte. In Manier einer klassischen Turniermannschaft wurde auch Italien (67:60), im Viertelfinale Polen (90:78) und im Halbfinale Australien (95:88) nach zweifacher Verlängerung niedergerungen.

Marc Gasol, der im Juni mit den Toronto Raptors NBA-Champion geworden war, beeindruckte gegen Australien mit 33 Punkten. Im Finale gegen Argentinien hatte der 34-Jährige zwar nicht das heiße Händchen und traf nur zwei seiner neun Feldwurfversuche, trotzdem gelang es dem 34-Jährigen das Spiel auf anderem Weg zu beeinflussen – mit seiner Defensivarbeit und Übersicht im Passspiel. Letztlich kam er auf sieben direkte Vorlagen.
Einseitiges Finale
Von Beginn an dominierte Spanien das Finale gegen Argentinier, die vor dem Turnier kaum jemand auf dem Zettel hatte. Und dennoch standen die Südamerikaner verdient unter den beiden besten Mannschaften, angeführt vom 39-jährigen Luis Scola und dem 1,81 Meter großen Wirbelwind Facundo Campazzo. Doch die beiden Hauptprotagonisten kamen am Sonntag nicht an ihr Leistungslimit, was auch an der spanischen Defensive lag. Weil die Spanier die Bretter beherrschten und gut aus dem Feld trafen, setzten sie sich schnell mit 14:2 ab. Mit einem aus argentinischer Sicht halbwegs versöhnlichen Spielstand von 43:31 ging es in die Pause, aber die zweite Halbzeit startete Spanien mit einem 12:2-Lauf (55:33). Im vierten Viertel kam Argentinien auf 12 Punkte heran, enger wurde es nicht mehr. Die Schlusssirene ertönte beim Stand von 95:75.
Neutrale Zuschauer hatten sich ein spannendes Finale gewünscht. Dass dieses Szenario ausblieb, lag an der mannschaftlichen Geschlossenheit der Spanier. Gleich sechs Spieler punkteten zweistellig. Ricky Rubio stach mit 20 Punkten noch am ehesten heraus und wurde nachher zum wertvollsten Spieler des Turniers gekürt. Bei der Fülle von routinierten Leistungsträgern im Kader fiel diese Wahl gar nicht mal so leicht.
Sergio Llull bewies seine Qualitäten als Werfer aus der Distanz, Rubio ging voran als ordnende Hand der Offensive und traf in der Regel die richtigen Entscheidungen. Auch die Brüder Juancho und Willy Hernangomez sorgten mit jeweils 11 Punkten dafür, dass der Sieg zu kaum einem Zeitpunkt gefährdet war. „Wir waren nicht das talentierteste Team bei dieser WM, aber wir waren das Team mit dem großen Herz“, sagte Rubio im Anschluss an die Pokalübergabe.
Außerdem war da noch der Trainer Sergio Scariolo, der 2009, 2011 und 2015 mit vielen aktuellen Spielern Europameister geworden war. Bereits vor zehn Jahren liefen Marc Gasol, Llull, Rubio, Rudy Fernandez und Victor Claver für die Nationalmannschaft auf. Gasol und Fernandez waren bereits beim WM-Triumph 2006 dabei. Es ist bestimmt kein Nachteil, dass sich Scariolo und seine Routiniers so lange kennen. Selbst in engen Partien wie gegen Australien schreit und fuchtelt der Italiener in Auszeiten nicht wild um sich, stattdessen bleibt er analytisch und betont die eigenen Stärken. „Tranquillo“ das ist das Motto von Sergio Scariolo.