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NFL: Wiederauferstehung der Clevland Browns nach 635 Tagen

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Die Clevland Browns haben ein NFL-Spiel gewonnen. In Ohio herrscht Ausnahmezustand. Eine ganze Stadt hat knapp 21 Monate nach einem Erfolg gelechzt. Zuhause besiegten die Browns die New York Jets mit 21:17, was vor allem einem Debütanten zu verdanken war.

Es war der 24. Dezember 2016, als Fans des American-Football-Teams Clevland Browns zuletzt jubeln durften. Zum einen stand Weihnachten vor der Tür, aber das größte Geschenk bereiteten die Browns mit ihrem ersten und einzigen Saisonsieg gegen die San Diego Chargers. Der Erfolg war eine Eintagsfliege, die restlichen 15 Spiele gingen allesamt verloren.

16 Partien, 16 Pleiten

Auch in der NFL-Spielzeit 2017 herrschte in Clevland Katerstimmung. Der Mannschaft gelang das Kunststück, jedes der 16 Spiele zu verlieren. Am Saisonende organisierten die Fans eine Parade durch die Stadt. Clevland-Fans müssen seit Jahren mit der Erfolglosigkeit leben. Während manche Anhänger längst verzweifelt sind, nehmen andere diese mit einer Portion Galgenhumor hin.

Wenngleich die Mannschaft in jedem Duell den Kürzeren zog, wurde sie immer wieder für ihr Talent gelobt. Viele Partien gingen nur knapp verloren. Das Team von Trainer Hue Jackson bewahrte sich ihren Kampfgeist über die Saison und schrieb kein Spiel im Vorhinein ab, obwohl man die ansprechenden Leistungen nicht mit Ergebnissen krönte.

Grundsätzlich ist die NFL recht ausgeglichen, selbst schlechte Teams schaffen in der Regel drei oder vier Siege. Nur die Browns schienen vom Pech verfolgt für Jahre am Bodensatz der Liga festzukleben. Mithilfe des Drafts und einer Gehaltsobergrenze, die für jedes Team gilt, versucht die Liga Chancengleichheit herzustellen. Von der Konkurrenz abgehängte Teams wie Clevland soll es eigentlich nicht geben.

Browns behalten Hue Jackson

Im Winter rechneten die meisten Experten daher mit der Entlassung des Cheftrainers, für den nach 32 Spielen nur ein Sieg zu Buche stand. Doch der neue General Manager John Dorsey beließ Jackson im Amt. Vor seinem Engagement in Clevland galt der 52-Jährige als Quarterback-Flüsterer, als Trainer, der den wichtigsten Mann einer Mannschaft besser macht und es vor allem versteht, junge Talente auf dieser Position zu entwickeln.

Doch alle Quarterbacks in Clevland, die unter seiner Ägide spielten, enttäuschten. Manchen fehlte das Talent, manchen ein unterstützender Matchplan des Trainerstabs und manchen das Vertrauen. Jackson wechselte Quarterbacks so schnell wie Christbaumschmuck aus.

Weder Robert Griffin III, Josh Mc Cown, Cody Kessler noch DeShone Kizer oder Kevin Hogan bekamen Zeit, um sich als Regisseur einer Offensive zurechtzufinden. Hue Jackson unternahm alles, um gefeuert zu werden. Doch aus unerfindlichen Gründen blieb der Trainer rund um seine Quarterback-Verbrennungsmaschine.

Clevland schnappt sich Mayfield und Taylor

Im NFL Draft im April wählten die Clevland Browns an Position eins Baker Mayfield. Das Front Office schätzte den 23-Jährigen als besten Quarterback des Jahrgangs ein. Viele hatten diese Entscheidung angezweifelt. Mayfield sei zu klein, sein Wurfarm zu schwach und er sei ein schwer zu bändigender Zeitgenosse. Im Februar 2017 wurde er wegen öffentlicher Trunkenheit festgenommen, nachdem er versucht hatte, der Polizei zu entkommen.

Doch schon in den ersten offiziellen Trainingseinheiten strafte Mayfield seine Kritiker Lügen. Der ehemalige College-Spieler der Oklahoma Sooners bewies auch in den Vorbereitungsspielen sein ausgeprägtes Gespür für Räume und wurde schon bald als Lichtblick eines nunmehr noch talentierteren Browns-Teams gelobt.

In der Offseason hatten die Verantwortlichen neben Mayfield auch Tyrod Taylor aus Buffalo verpflichtet. Taylor wurde im Draft 2011 als 180. Spieler ausgewählt, galt nie als Ballkünstler, aber mit dem 29-Jährigen hatten die Browns einen routinierten Quarterback geholt, der wenige Fehler beging.

Mayfield bescheinigte man das größere Potential, Taylor die Erfahrung. Hue Jackson bestimmte vor dem Saisonstart Taylor zum Starter. Er sollte der jungen Mannschaft Sicherheit geben, ein Fundament, auf dem sie aufbauen konnte. Bei Taylor schien die Fallhöhe geringer.

Browns scheitern zweimal nur knapp

Mit Taylor hatte Clevland zum NFL-Auftakt gegen die Pittsburgh Steelers 21:21-Unentschieden gespielt und immerhin mal wieder nicht verloren. Bei den New Orleans Saints gaben die Browns dann eine 18:3-Führung aus der Hand und verloren noch. Viele Spieler überzeugten auf dem Platz, doch die Ergebnisse erinnerten wieder an die vergangenen Jahre.

Taylor zeigte zwei solide Auftritte, doch von spielerischer Leichtigkeit war er weit entfernt. Ein Quarterback muss vor allem das Passspiel beherrschen und seine Nebenleute mit Vorlagen füttern, Qualitäten als Läufer sind sekundär. Doch Taylor glänzt besonders dank seiner flinken Beine als Quarterback, der auf eigene Faust versucht, Raumgewinne zu erlaufen.

Zwar war Taylor gegen New Orleans auch immer mal wieder als Passgeber gefährlich, doch seine Leistungen machten aus ihm keinen Hoffnungsträger für einen Aufschwung. Vor allem mit dem Wissen, dass der talentierte Mayfield auf der Bank saß. Gestern am dritten Spieltag gegen die New York Jets war selbst Taylors Laufspiel nahezu unbrauchbar.

Taylors Pässe ins Niemansland

Von seiner Erfahrung war nichts zu sehen. Er verfehlte seine Passempfänger deutlich, dabei machte es keinen Unterschied, ob die Verteidiger der Jets ihn unter Druck setzten oder nicht. Bei einem Play-Action-Fake schmiss Taylor das Leder ins Niemansland ohne freie Mitspieler weit und breit. Selbst Baker Mayfield, den die TV-Kamera fokussierte, runzelte die Stirn.

New York spielte alles andere als gut, führte allerdings 14:0 dank zweier Touchdown-Läufe von Runningback Isaiah Crowell, einem ehemaligen Spieler der Browns. Als die heimischen Clevland-Fans im ausverkauften Stadion schon zu Pfeifen begannen und „Baker“-Sprechchöre ertönten, verletzte sich Tyrod Taylor. Mit Verdacht auf eine Gehirnerschütterung musste er ausgewechselt werden, unter Jubel joggte Baker Mayfield aufs Feld bei noch knapp zwei Minuten Spielzeit in der ersten Halbzeit.

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Mayfiels haucht Browns-Offensive Leben ein

In der fast kompletten Halbzeit hatte Taylor 4 von 14 Pässen für erschreckende 19 Yards vervollständigt. Als Läufer hatte er bei vier Versuchen einen Raumgewinn von 22 Yards erzielt. Gleich der erste Pass von Mayfield flog über 14 Yards zu Jarvis Landry, der den scharf platzierten Ball fing. Plötzlich war eine Energie im Stadion zu spüren, die man von den Zuschauern nicht gewohnt war. Mayfield nahm sofort den Job des Wortführers an, dirigierte den Angriff und glänzte mit präzisen Pässen.

Seine Augen richtete er konstant in die Tiefe, um nach der bestmöglichen Anspielstation zu sichten. Viel umsichtiger als Taylor las er die Mitte der Feldes. Flink und clever bewegte sich der 23-Jährige im Schutz seiner Offensive Line, die versucht, dem Ansturm der Verteidiger standzuhalten. Für einen Quarterback im ersten Jahr, einen sogenannten Rookie, beging er ungewöhnlich wenig Fehler. Anders als Taylor hatte Mayfield unter der Woche nicht mit der Startformation trainiert. Dieser Umstand machte sein NFL-Debüt noch spezieller.

Noch in der ersten Halbzeit führte Mayfield sein Team zu den ersten drei Punkten durch ein Field Goal des neuen Kickers Greg Joseph. In der zweiten Halbzeit gelang den Gästen im Angriff fast nichts mehr. Jets-Trainer Todd Bowles hatte sich einen äußerst konservativen und uninspirierten Gameplan zurechtgelegt, den die Clevland-Defensive leicht zu durchschauen wusste. Nicht nur Mayfield leitete den Umschwung ein, auch die Verteidigung um die starken Denzel Ward, Myles Garrett und Larry Ogunjobi ließ ihre Gegner nicht mehr zur Entfaltung kommen.

Top-Ziel Landry

Mayfield indes fand immer wieder seine Hauptanspielstation Jarvis Landry, der allein Pässe für 103 Yards fing. Aber auch David Njoku (36 Yards), Rashard Higgins (32 Yards) oder Antonio Callaway (20 Yards) kamen auf ihre Kosten. Insgesamt brachte der Quarterback 17 von 23 Pässen an seine Mitspieler für 201 Yards. Im dritten Viertel gelang Clevlands Runningback Carlos Hyde ein Touchdown zum 12:14.

Die Browns verzichteten auf das Field Goal und probierten stattdessen die Two-Point-Conversion, um für den Ausgleich zu sorgen. Dabei griffen sie in die Trickkiste: Mayfield, normalerweise für Pässe verantwortlich, hatte sich als Passempfänger aufgestellt. Landry, eigentlich fürs Fangen zuständig, lief in die Position des Quarterbacks. Es folgte ein bananenförmiger Pass des ehemaligen Miami-Spielers auf den völlig freistehenden Mayfield in der Endzone. Clevland hatte sich nicht vom konservativen Gameplan der Jets anstecken lassen, bewies Mut und hatte mit dem unkonventionellen Ansatz Erfolg.

11.000 mal Freibier

Nach einem weiteren Touchdown-Drive der Browns und zwei Interceptions des gegnerischen Quarterbacks Sam Darnold war der erste Browns-Sieg seit 635 Tagen vollbracht (21:17). Angeblich sollen in der Nacht auf Rechnung eines berühmten Kaltgetränkeherstellers 11.000 Biere in Clevland geflossen sein. Der Konzern hatte im August Freigetränke für alle Partner-Bars versprochen, würden die Browns endlich mal wieder gewinnen.

Baker Mayfield indes freute sich nachher über den Sieg, richtete seinen Fokus aber sofort wieder auf die nächste Prüfung. Obwohl er nicht nur eines der besten NFL-Debüts eines Quarterbacks in den letzten Jahren gefeiert hatte und damit eine Euphorie-Welle auslöste, wollte er vom Hype nichts wissen: „Die Saison hat vier Viertel, wir haben das dritte Spiel des ersten Viertels gewonnen. Jetzt müssen wir uns auf Oakland vorbereiten“, betonte er die Wichtigkeit der nächsten Aufgabe. „Es ist nicht der einzige Sieg, den wir feiern werden“, sagte Mayfield, „für uns war das nur ein Baustein.“

Bekommt Taylor noch eine Chance?

Obwohl Taylor von der Form Mayfields aktuell nur träumen kann, hat sich Hue Jackson noch nicht auf einen Starter gegen die Oakland Raiders festgelegt. Er müsse zunächst noch „das Videomaterial studieren“, sagte der Trainer. Nach dessen Gehirnerschütterung sollte Taylor in der nächsten Woche zumindest wieder fit sein. Normalerweie dürfte er seinen Stammplatz los sein, als Starter wäre Taylor kaum noch zu rechtfertigen. Doch was ist bei den Clevland Browns schon normal?

 

 

 

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