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NFL: Greatest Show of Comebacks

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Kurt Warner jobbte im Supermarkt und spielte Football in der Halle, gab aber seinen Traum von der besten Liga der Welt nie auf. Mit 28 Jahren feierte er doch noch sein NFL-Debüt und bald dirigierte er die größte Attraktion der Liga. Auf dem Zenit seiner Karriere angekommen, schien sich alles gegen ihn zu wenden. Ein paar Jahre später staunte man allerdings erneut über die wohl ungewöhnlichste Laufbahn im Profi-Football aller Zeiten.

Heute tritt Kurt Warner als TV-Analyst vor die Kameras. Er gibt Prognosen ab, plaudert aus dem Nähkästchen und fragt Trainer und Profis nach Spielen, wie sie ihre eigenen Leistungen einschätzen. Der 47-Jährige kann sich nur zu gut in die Stars hineinversetzen, die er zum Gespräch bittet. Einerseits weiß er, wie sich maximaler Erfolg anfühlt, andererseits musste er auch immer wieder gewaltige Rückschläge verkraften.

Beim Draft verschmäht

Mitte der 1990er Jahre meldete sich der Quarterback zum NFL Draft an, doch damals zählte er nicht zu den glücklichen Auserwählten, zu den Jungprofis, die einen Profivertrag bekamen. Statt in den größten Stadien des Landes arbeitete Warner im Supermarkt für 5,50 Dollar die Stunde und nebenbei als Assistenztrainer bei einem mäßig erfolgreichen College-Team.

Doch Warner steckte nicht auf und versuchte sich, seinen Traum von der besten Football-Liga der Welt zu erfüllen. 1998 kam er bei den St. Louis Rams endlich als Reservist im Team unter. Die erste Hürde war gemeistert, doch es sollte noch besser kommen. Da sich der etatmäßige Quarterback schon vor Beginn der darauffolgenden Saison 1999 verletzte, sah sich der Trainer gezwungen, Warner aufzustellen. Anfangs eine Notlösung, sollte er zusammen mit seiner Mannschaft allerdings schon bald die NFL revolutionieren.

Dabei war die Situation zunächst verzwickt. Im Hallen-Football in den USA hatte er kurz davor genau wie bei seinem einjährigen Intermezzo in Amsterdam zwar überzeugt, doch die NFL war ein anderes Pflaster. Außerdem waren die Rams alles andere als ein Schwergewicht der NFL. In 16 Spielen mussten sie sich 12-mal geschlagen geben. Warner wurde ins kalte Wasser geworfen und musste von jetzt auf gleich schwimmen lernen.

Greatest Show on Turf

Der damalige Trainer Dick Vermeil sah in Warner zunächst einen Spieler, der die Offensive in Abwesenheit des Starters anständig vertreten könnte, niemals ahnte er jedoch, dass der Ersatzmann St. Louis einen Höhenflug bescheren würde. Die Rams gewannen 13 Spiele, beendeten damit eine zehnjährige Playoff-Durststrecke und mit dem Triumph über die Tennessee Titans im Super Bowl am 30. Januar 2000 wurden selbst die Träume der kühnsten Optimisten auf den Kopf gestellt. Warner wurde nach der Saison zum wertvollsten Spieler der Liga gewählt (MVP). Die „Greatest Show on Turf“ war geboren.

Über drei Spielzeiten dominierte Warner, der sein NFL-Debüt erst mit 28 Jahren gab, gemeinsam mit seinen Passempfängern Torry Holt, Isaac Bruce und Runningback Marshall Faulk die NFL in sämtlichen Statistiken. Der Offensiv-Trainer Mike Martz wurde von Vermeil nach der ernüchternden 1998er-Saison angeheuert und bildete mit seinem kreativen Spielkonzept den Grundstein für Erfolg.

Revolutionärer Football

Martz war einer der ersten Trainer, die dem Passspiel mehr Beachtung schenkten. Anders als vielen anderen Trainern, die aus Gewohnheit vor allem dem Laufspiel vertrauten, gelang Martz mit seiner alternativen Philosophie der Umschwung. Sein Motto: Vertikales Passspiel, das den Gegner attackiert und aushebelt anstatt auf ihn zu reagieren. Mit Kurt Warner hatte Martz einen Quarterback gefunden, dessen Stärken auf das System perfekt zugeschnitten waren. Warner hatte eine schnelle Auffassungsgabe und ein hervorragendes Timing.

„Je mehr ich mich zurücklehne und darüber nachdenke, glaube ich, dass wir vielleicht unser Zeit vorraus waren“, sagte Holt rückblickend im Magazin Sports Illustrated. Der großartige Läufer Faulk wurde auch ins Passspiel eingebunden, was in dieser Zeit durchaus eine Antithese war. Im ersten Versuch (First Down) bewiesen die Rams mehr Mut als alle anderen Teams durch breite Formationen und Aufstellungen von gleich vier oder fünf Passempfängern gleichzeitig. Dieser Spilstiel zwang gegnerische Defensiven dazu, das ganze Feld zu verteidigen.

Verletzungen und Formkrise

2001 endete die Reise der Rams erneut im letzten Spiel der Saison. Aber im 36. Super Bowl mussten sie den New England Patriots den Vortritt lassen. In den Folgejahren wurde Warner dann aber von Verletzungen heimgesucht. Wenn er auf dem Feld stand, wirkte sein präziser Wurfarm eingerostet, häufig verpasste er seine Mitspieler, stattdessen warf er den Verteidigern den Football in die Arme. Warners Fitness hatte zu leiden, seine Fehler waren nicht mehr wegzudiskutieren. 2004 entließ St. Louis den Heilsbringer aus dem Nichts. Der zweifache NFL-MVP war seinen Job los.

Comeback in Arizona

Die New York Giants gaben ihm eine Chance, doch dort wurde er nicht glücklich. 2005 bekam Warner bei den Arizona Cardinals gerade einmal einen mickrigen Einjahresvertrag. Mittlerweile war er 34 Jahre alt und offenbar glaubten die Manager, seine beste Zeit sei abgelaufen. Doch Kurt Warner wäre vermutlich nicht in den exklusiven Kreis gelangt, in die Football Hall of Fame, wenn seine Laufbahn bei den Cardinals schmucklos zum Ende gekommen wäre.

In vier Jahren Arizona musste Warner immer mal wieder auf der Bank Platz nehmen, doch selbst im Alter von 37 Jahren hatte er noch Pfeile im Köcher. 2008 brachte er eines der zuvor schlechtesten Teams der Liga in den Super Bowl. Das hochklassige Finale gegen die Pittsburgh Steelers ging nur knapp verloren. Falls es eines weiteren Beweises seiner Nehmerfähigkeiten bedurft hätte, gab ihn Warner im Spätherbst seiner Karriere in Arizona. Am 29. Januar 2010 gab er sein Karriereende bekannt, nachdem er die Cardinals erneut in die Playoffs geführt hatte.

Vor ein paar Jahren wurde Warners Geschichte sogar verfilmt. In seinem Ausmaß ist der Werdegang des ehrgeizigen Quarterbacks einzigartig im American Football. In der Historie der NFL hat es zahlreiche Stars gegeben, aber keine Story ist so außergewöhnlich wie die vom Stehaufmännchen Kurt Warner. Um es mit den Worten von Warner zu sagen: „Wenn du gewillt bist, dich und deine Träume in die Schusslinie zu begeben, wirst du zumindest eine innere Stärke entdecken, von der du nicht gewusst hast, dass sie existiert.“

 

 

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