Das wichtigste NFL-Spiel des Jahres steht an: In der Nacht von Sonntag auf Montag (13. auf 14. Februar 2022) um 0.30 Uhr findet der Super Bowl statt. Gegenüber stehen sich die Los Angeles Rams und die Cincinnati Bengals. Gespielt wird im SoFi Stadium in Inglewood – der Heimspielstätte der Rams.
Im Vorfeld der Partie sprach 40sechzig90.de mit Rune Zeller, dem 1. Vorsitzenden des Fanclubs Rams Germany e.V., über die Siegchancen der Rams, die Key Matchups, die Entwicklung von Rams-Passempfänger Cooper Kupp und vieles mehr.
Informationen über den Fanclub gibt es auf der Website: https://rams-germany.de/.
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Als die Los Angeles Rams vor drei Jahren das bisher letzte Mal im Endspiel standen, brachten sie gegen die New England Patriots nur drei Punkte zustande. Wie zuversichtlich sind Sie, dass es im eigenen Stadion diesmal mehr werden?
Rune Zeller: Ich denke, dass die Rams durchaus eine Chance haben, mehr Punkte zu erzielen (lacht). Das war damals eine andere Offense mit einem anderen Quarterback in Jared Goff. Ein guter Quarterback, der aber nicht auf dem Level eines Matthew Stafford ist. Sean McVay war in seinem zweiten Jahr als Headcoach und wurde in diesem Spiel outcoached. Ich glaube, dass McVay noch ein bisschen reifer ist als damals und an seinem System gearbeitet hat. Außerdem wurde die Offense mit Odell Beckham Junior verstärkt.
Die Defensive Front der Rams um Aaron Donald, Von Miller und Leonard Floyd ist eine der stärksten der NFL. Die Offensive Line der Cincinnati Bengals zählt dagegen zu den schwächsten Units ligaweit. Könnte dieses Duell das Key Matchup werden?
Zeller: Ja, ich denke auf jeden Fall. Die Rams müssen das Spiel defensiv an der Front gewinnen. Die Bengals hatten Probleme in der Offensive Line. Ich vermute, dass die Bengals den Ball schnell aus Burrows Händen bringen wollen, damit der Pass Rush keine Zeit hat, durchzukommen. Aber trotzdem sollte Aaron Donald viel Druck erzeugen. Vielleicht macht er ja das Spiel seines Lebens. Von Miller und Leonard Floyd müssen versuchen, die Edge zu kontrollieren, damit Burrow nicht scrambeln kann. So werden die Rams versuchen, die sehr explosive Offense der Bengals ein Stück weit zu limitieren.
Wie wollen die Bengals Aaron Donald in den Griff kriegen?
Zeller: Das ist eine gute Frage. Ich denke, dass er es mit vielen Double Teams und vielleicht manchmal sogar mit Triple Teams zu tun haben wird. Die Bengals könnten versuchen, das Spiel von Donald weg zu verlagern. Vielleicht werden die Bengals auch vermehrt auf ein Outside-Zone-Laufspiel setzen, um Donald so gut es geht aus dem Spiel zu nehmen. Außerdem wird Burrow den Ball wie schon erwähnt vermutlich schnell loswerden.
Welcher Playmaker der Bengals könnte den Rams abgesehen von Quarterback Joe Burrow am gefährlichsten werden: Joe Mixon, Ja’Marr Chase, Trey Hendrickson, Logan Wilson oder Jessie Bates?
Zeller: Offensiv auf jeden Fall Ja’Marr Chase. Was er in seiner Rookie-Saison geleistet hat, ist unglaublich. Er gehört jetzt schon zur absoluten Receiver-Elite. Zudem hat er die Connection mit Joe Burrow, mit dem er schon sehr erfolgreich am College zusammengespielt hat. Von Chase geht offensiv die größte Gefahr aus. Defensiv werden sich die Bengals einiges von Trey Hendrickson erhoffen, der in der regulären Saison 14 Sacks verzeichnen konnte. Stafford ist ein Quarterback, der unter Druck Probleme bekommt. Hendrickson wird alles dafür tun, die Passing Offense der Rams zumindest einzuschränken.
Cooper Kupp, Wide Receiver der Rams, hat eine fantastische Saison gespielt – sowohl in der regulären Saison als auch in den Playoffs. Sind sie überrascht von seiner Entwicklung?
Zeller: Auf jeden Fall. Ich bin vor der Saison davon ausgegangen, dass Robert Woods das Number-1-Target von Stafford werden wird und Kupp eine gute Saison als Nummer-2 haben wird. McVay ist super darin, Kupp einzusetzen. Er generiert Matchups aus dem Slot. Kupp ist mittlerweile ein extrem starker Route Runner und kreiert die Separation, die man sich als Quarterback wünscht. Dass Kupp die Triple-Crown (er führte die NFL 2021 in Receiving Yards, Receiving Touchdowns und Receptions an, Anmerkung der Redaktion) holt, hätte ich nicht geglaubt. Ich hätte vielleicht mit einer 1100- oder 1200-Yard-Saison gerechnet.
Welche Fähigkeiten machen Kupp zu einem Schlüsselspieler der Rams?
Zeller: Er hat unglaublich sichere Hände und für seine Größe einen enormen Catch-Radius. Ich finde, seine stärkste Fähigkeit ist das Route-Running. Es ist beeindruckend, wenn man das mal beim All-22-Tape genauer beobachtet, mit welchen Cuts und Breaks er seine Gegenspieler abkocht, obwohl diese teilweise ein bisschen schneller und physischer sind als er. Viele unterschätzen auch seine Fähigkeiten als Blocker. Er gibt im Laufspiel immer alles, damit die Lücke für den Runningback aufgeht. Er hat teilweise schon Defensive Ends geblockt, das ist echt surreal (lacht). Kupp ist auch extrem spielintelligent, wie zum Beispiel seine Erklärung zu seinem Touchdown gegen die Jacksonville Jaguars gezeigt hat.
Wo würde Kupp landen, wenn Sie ein Ranking der besten Wide Receiver der NFL erstellen würden?
Zeller: Für diese Saison bleibt einem fast nichts mehr anderes übrig, als ihn auf Platz eins zu setzen. In einem allgemeineren Kontext einschließlich der letzten Jahre würde ich ihn mindestens in den Top-10 sehen.
Welcher Rams-Spieler fliegt Ihrer Meinung nach unter dem Radar?
Zeller: Da würden mir einige einfallen. In der Defense würde ich den Nose Tackle Greg Gaines nennen. Er spielt neben den Stars Donald, Floyd und Von Miller. Er macht einen guten Job in der Run-Defense, hat sich in den letzten Jahren aber auch im Pass Rush weiterentwickelt. In der Offense würde ich unseren Right Tackle Rob Havenstein nennen, der für mich einer der besseren Tackles der Liga ist.
Welcher Rams-Spieler hat Ihrer Meinung nach den größten Entwicklungsschritt im Vergleich zur letzten Saison gemacht?
Zeller: Spontan würden mir Cooper Kupp und Van Jefferson einfallen. Ich würde bei dieser Frage im Verhältnis sogar Van Jefferson vor Kupp sehen. Van Jefferson hat in seiner Rookie-Saison nicht wirklich sein Talent zeigen können. Jetzt hat er bewiesen, eine gute Ergänzung zu Kupp und Odell Beckham Junior zu sein. Er hat eine ziemlich vertikale Rolle eingenommen, die man ihm zum Zeitpunkt des Drafts nicht so zugetraut hat. Ich dachte, dass die Rams Van Jefferson als flexiblen Slot-Receiver einsetzen, als jemanden, der gute Routen läuft und sichere Hände hat. Aber dass er auch als Deep Threat agieren kann, hätte ich vor seiner Rookie-Saison nicht gedacht. Das freut mich umso mehr.
Von welchem Spieler hätten Sie sich mehr erhofft?
Zeller: Wer im Super Bowl ist, hat grundsätzlich nicht viel falsch gemacht. Aber ein wenig enttäuscht hat in dieser Saison Darious Williams. 2020 war er einer der besten Nummer-2-Cornerbacks der Liga. In den letztjährigen Playoffs hat er eine Interception von Russell Wilson gefangen und einen Pick Six daraus gemacht. In dieser Saison waren einige unschöne Szenen dabei und er hat sich häufiger abkochen lassen. Er wird nach der Saison Free Agent. Ich bin gespannt, wie die Rams mit ihm planen, ob sie mit ihm verlängern und wie viel sie ihm dann zahlen würden. Aktuell spielt er in einem für die Rams preiswerten First-Round-Tender, aber bestimmt möchte er einen einigermaßen hochdotierten Vertrag haben. Ich gehe davon aus, dass auch andere Teams ihn haben wollen.

Was halten Sie von Quarterback Matthew Stafford?
Zeller: Im Endeffekt hat es sich gelohnt, die zwei First-Round-Draftpicks für ihn auszugeben. Er hatte definitiv ein paar schlechtere Spiele, aber gerade in den Playoffs hat er gezeigt, dass er ein sehr guter Quarterback ist. Er kommt auch gut mit dem Spielsystem von McVay zurecht. Ich denke, er gehört nicht zur absoluten NFL-Elite. Patrick Mahomes oder Josh Allen würde ich noch eine Stufe über Stafford sehen. Aber Stafford ist definitiv ein Top-10-Quarterback, der maßgeblichen Anteil daran hat, dass die Rams im Super Bowl stehen. Gerade Staffords Führungsqualitäten, im letzten Quarter alles zusammenzuraffen und Drives hinzulegen, die zum Sieg führen können, hatten die Rams mit Goff nicht. Ich bin sehr froh, dass die Rams mit Stafford einen so starken Quarterback haben.
Im Großen und Ganzen können die Rams mit Ihrem Coach Sean McVay sehr zufrieden sein. Dennoch sind manche seiner In-Game-Playcalls zweifelhaft. Wie beurteilen Sie seine Arbeit?
Zeller: Ich zolle ihm großen Respekt dafür, was er aus den Rams gemacht hat. Mit Headcoach Jeff Fisher hatten die Rams keinen einzigen Winning Record. In den Saisons von 2007 bis 2009 holte man insgesamt nur sechs Siege. McVay hat großartige Arbeit geleistet, aber seine In-Game-Entscheidungen sind nicht so seine Stärke. Gegen die 49ers hat er unnötigerweise Timeouts hergeschenkt. In diesem Bereich muss er noch an sich arbeiten und ich glaube auch, dass er an sich arbeiten wird und Fehler einsehen kann. Tatsächlich könnte ich mir auch vorstellen, dass er sich Hilfe aus dem Coaching Staff holt und vielleicht auch einen zusätzlichen Coach einstellt, der ihn während der Spiele beraten kann. McVay ist ja einer der Coaches, die das offensive Playcalling selbst übernehmen. Wahrscheinlich ist es für ihn manchmal zu viel, wenn man sich einerseits auf das Playcalling und die Spielzugauswahl konzentriert und andererseits noch die eigenen Mannschaftsteile und die des Gegners analysieren muss. Dazu kommen andere In-Game-Entscheidungen wie Challenges und das Timeout-Management. Es ist gut möglich, dass es im Coaching Staff zu Veränderungen kommen wird.
Les Snead, General Manager der Rams, ist in den letzten Jahren ziemlich freigiebig mit Draftpicks umgegangen. Dafür konnten die Rams Stars wie Stafford, Jalen Ramsey oder Von Miller nach Los Angeles lotsen. In diesem Ausmaß ist der Ansatz der Rams einzigartig in der NFL. Hat er sich bezahlt gemacht?
Zeller: Das werden wir am Montagmorgen um 5 Uhr sehen. Aber grundsätzlich gibt der Erfolg ihnen ja Recht. Seit die Rams diese Strategie fahren, ungefähr als Jared Goff gedrafted wurde, hat sich auch der Erfolg eingestellt. Seit 2017 hatten die Rams in jedem Jahr einen Winning Record, man ist viermal in die Playoffs und zweimal in den Super Bowl eingezogen. Nur in einer Saison haben die Rams die Playoffs verpasst. Es ist natürlich eine andere Strategie, vermehrt auf gestandene Spieler zu setzen. Das erfordert einiges an präziser Arbeit. In den späteren Draftrunden müssen die Rams Spieler finden, die die Mannschaft unterstützen und die Lücken schließen, die durch die teuren Trades entstehen. Man muss es anerkennen, dass sie es schaffen, in den späteren Runden so gut zu draften. So eine Strategie würde nicht jedes Team fahren können, glaube ich.
Wie lange können die Rams noch ein Contender, ein Spitzenteam, bleiben?
Zeller: Ich denke bis zu dem Zeitpunkt, an dem Matthew Stafford seine Karriere beendet. Ich weiß nicht, wie lange er noch spielen wird. Wenn irgendwann auch Aaron Donald und Jalen Ramsey ihre Karriere beenden, wird sich das Titelfenster von Los Angeles schließen. Aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass Sean McVay und Les Snead auch weiterhin gut draften und den Quarterback der Zukunft finden, den man dann hinter Stafford aufbauen könnte. Ein paar Jahre nach den ganzen Rücktritten könnte das Titelfenster dann wieder aufgestoßen werden. Aber kurzfristig denke ich, dass die Rams noch zwei, drei Jahre mit Stafford auf diesem hohen Niveau mithalten können und danach wird sich zeigen, wie man die Spieler ersetzen kann. Nach dieser Zeit bin ich gespannt, ob die Rams dann auf die Bremse drücken und versuchen werden, sich auf die ersten Draftrunden zu konzentrieren – oder ob sie knallhart die Schiene weiterfahren und die First-Round-Picks wegtraden, um wiederum gestandene Spieler von anderen Teams zu holen.
Auf welcher Position sollten die Rams in der kommenden Free Agency und im Draft nachbessern – unabhängig vom Ergebnis des Super Bowl?
Zeller: Sie sollten zwei Cornerbacks verpflichten, vor allem wenn Darious Williams geht. Auch wenn er bleibt, sollten sie auf dieser Position etwas tun. In der Interior Offensive Line werden Austin Corbett und Brian Allen Free Agents. Da muss man auf jeden Fall ein paar Talente holen oder die Positionen anderweitig adressieren, um nicht in die Bredouille zu kommen, da eine Lücke im Roster zu haben.
Was ist Ihr Tipp für den Super Bowl?
Zeller: Ich tippe auf ein 27:24 für die Rams und ein Game-Winning-Field-Goal von Matt Gay in der letzten Sekunde (lacht).