American Football

NFL: Wie Patrick Mahomes und Jalen Hurts von ihren früheren Sportarten profitieren

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Patrick Mahomes (Kansas City Chiefs) ist zum wertvollsten Spieler (MVP) der NFL-Saison gewählt worden. Auf Rang zwei landete Jalen Hurts, Quarterback der Philadelphia Eagles. Beide haben ihre Teams in den Super Bowl geführt und werden sich im Duell um die Vince Lombardi Trophy in der Nacht von Sonntag auf Montag gegenüberstehen. Bis ins jugendliche Alter spielten beide auch Baseball, Mahomes zusätzlich noch Basketball. Heute profitieren sie von ihrer Vergangenheit als Multisportler.

Der General Manager der Kansas City Chiefs, Brett Veach, beschrieb Mahomes bei The Athletic einmal so: „Er ist in der Lage, all diese Leute, den Druck und die Einflüsse um sich herum zu haben und trotzdem mit dieser Einstellung zu spielen, als wäre er in seinem Hinterhof.“ Tatsächlich hat man während eines NFL-Spiels manchmal den Eindruck, Mahomes stehe nicht unter der Beobachtung von 76.000 Zuschauern im Arrowhead Stadium der Chiefs, sondern vor seiner Haustür mit seinen Freunden, um ihnen ein paar Bälle zuzuwerfen.

Mahomes ist der spektakulärste Quarterback der NFL; ein zweifacher MVP, der mit 27 Jahren übermorgen seinen zweiten Super Bowl gewinnen kann. Wie kein anderer NFL-Quarterback ist er imstande, zweistellige Rückstände aufzuholen. Häufig lässt er seine Mitspieler besser aussehen, als sie sind. Abgesehen von Travis Kelce haben die Chiefs keinen Star-Passempfänger im Kader, aber trotz des Abgangs von Tyreek Hill im vergangenen Frühjahr blieb die Offense in dieser Saison herausragend.

Hat Patrick Mahomes überhaupt Schwächen?

Es fällt schwer, eine Schwäche in seinem Spiel zu finden: Er hat eine außergewöhnliche Armstärke; einmal feuerte er den Football sogar vom Spielfeld aus über die Ränge des Arrowhead Stadium. Er identifiziert freie Passfenster auch unter Druck und bestraft den Blitz wie kein zweiter Quarterback in der Liga. Er kann nicht nur innerhalb der Struktur Plays machen, sondern dank seiner Improvisationsfähigkeiten auch außerhalb der Struktur kreieren – wenn seine Offensive Line zusammenbricht und er auf seine Füße angewiesen ist.

Auch wenn er das Spiel aus der Pocket beherrscht, ist er kein klassischer, „stationärer“ Passgeber wie Tom Brady oder Drew Brees. Vielmehr kann er als Runner Raumgewinn erzielen oder aus dem Lauf die wildesten Pässe an den Mann bringen. Natürlich ist auch Mahomes nicht perfekt, aber die letzten Wochen haben gezeigt, dass er einen positiven Einfluss auf seine Mannschaft hat, selbst wenn er verletzt ist.

Obwohl er sich im Playoffspiel gegen die Jacksonville Jaguars eine Knöchelverletzung zuzog, verließ er nur kurzzeitig das Spielfeld und führte sein Team mit nur einem funktionsfähigen Fuß zum Sieg. So auch eine Woche später gegen die Cincinnati Bengals. Normalerweise beträgt die Ausfallzeit bei einem „High Ankle Sprain“ mehrere Wochen. In dieser Saison absolvierte Quarterback Mac Jones von den New England Patriots vier Wochen kein Spiel mit einem High Ankle Sprain.

Präzise Pässe ohne lehrbuchmäßige Mechanik

Aufgrund der Umstände legte Mahomes noch weniger Wert als sonst auf seine Mechanik, auf die lehrbuchmäßige Fuß- und Hüftstellung. Gegen die Bengals warf er einen Touchdown-Pass zu Travis Kelce, während er sein ganzes Gewicht auf dem Hinterfuß hatte und seine beiden Füße parallel zur Line of Scrimmage zeigten. Die gesamte Kraft nahm er aus dem Arm. Auch beim Touchdown-Pass zu Marquez Valdes-Scantling war keine „korrekte“ Fußstellung zu erkennen. Gegen die Jaguars brachte er einen Sprungwurf an, der mit einem Touchdown belohnt wurde.

Auch wenn Mahomes fit ist, greift er auf Techniken zurück, für die ihn Jugendtrainer bisweilen rügen würden. Aber diese Art von Football ist sein Erfolgsgeheimnis. Er ist in der Lage, den Ball aus ungünstigen Armwinkeln präzise zu platzieren. Deshalb bleibt er seinem Stil treu. No-Look-Pässe, Sidearm-Würfe oder Pässe, bei denen er nach links rollt und seine rechte Schulter zurückdrehen muss, sind für die meisten anderen Quarterbacks unmöglich, gehören aber zum Portfolio von Mahomes. In einem Spiel gegen die Denver Broncos 2018 warf er sogar einen Pass mit seiner schwächeren linken Hand aus dem Lauf.

Dass aus ihm dieser Freigeist auf dem Footballfeld wurde, hat er der Tatsache zu verdanken, dass er sich nicht zu früh auf eine Sportart spezialisierte. In der Highschool spielte er nicht nur American Football, sondern auch Basketball und Baseball.

„An der Art und Weise, wie Patrick als Quarterback spielt, kann man erkennen, dass er Teile aus dem Basketball, die Sprungwürfe und No-Look-Pässe, und Teile aus dem Baseball, die verschiedenen Armwinkel, in ein Football-Paket gepackt hat“, sagte sein Vater in der Los Angeles Times.

Mahomes begriff die Strategie und Mechanik der Sportarten schneller als Gleichaltrige, was damit zu tun hatte, dass er schon als kleiner Junge über das Spiel nachdachte. Seine Eltern Pat und Randi stellten ihm nach Spielen Fragen und so verstand er immer besser, wo und wie er sich verbessern konnte. Als Patrick 6 oder 7 Jahre alt war, ahnte Pat schon, dass sein Sohn eines Tages Profisportler sein werde. „Aber natürlich dachte ich, dass es Baseball werden würde“, sagte der heute 52-Jährige.

Patrick Mahomes lernte von Baseball-Stars

Pat spielte selbst (1992-1997, 1999-2003) in der Major League Baseball (MLB) auf der Position des Pitchers, dessen Hauptaufgabe es ist, den Ball am gegnerischen Schlagmann vorbei zu seinem Mitspieler zu werfen. Der heutige NFL-Superstar war ebenfalls Pitcher, kam aber auch als Shortstop zum Einsatz.

Bei Spieltagen des Vaters war der Sohnemann mit dabei und sah aus nächster Nähe, wie sich sein Vater, dessen Mitspieler oder die Gegner auf Spiele vorbereiteten. Der kleine Mahomes fing bereits mit vier oder fünf Jahren Flugbälle von Pats Teamkollgen. Er bekam Schlagtipps von Superstars aus anderen Teams wie Alex Rodriguez oder fing Bälle von Derek Jeter.

„Er wuchs im Clubhaus auf, war immer in der Nähe des Spiels und war immer der beste Spieler seines Baseballteams“, sagte Pat Mahomes. „Er war ein unglaublicher Shortstop. Er war immer der beste Schlagmann seines Teams und warf mit den Baseball 97 mph (entspricht 156 km/h).“

Vor dem Super Bowl vor drei Jahren beschrieb Patrick Mahomes in der Washington Post sein Highschool-Ich als „Baseballer, der Football spielte“ und hob hervor, wie sehr er von den unterschiedlichen Anforderungen jeder Sportart profitierte: „Die verschiedenen Wege, die man in jeder Sportart finden muss, um zu gewinnen, haben mich zu dem Quarterback gemacht, der ich bin.“

Patricks Anlagen im Baseball waren so vielversprechend, dass sein Vater ihn nach seinem zweiten Highschool-Jahr überzeugen wollte, mit dem Football aufzuhören. Aber dazu kam es nicht. „Seine Mutter hat ihm gesagt, dass er es bereuen würde, wenn er aufhört, weil er dann nicht mehr mit den Jungs auf dem Feld stehen würde“, berichtete der Vater.

Patrick Mahomes wurde sogar im MLB Draft ausgewählt

Patrick wurde im MLB Draft 2014 von den Detroit Tigers sogar in der 37. von damals 40 Runden ausgewählt, aber er wollte diese Chance nicht wahrnehmen. Wenn er sich klarer für Baseball ausgesprochen hätte, wäre er vermutlich eher ausgewählt worden. In seiner Anfangszeit an der Texas Tech University spielte Patrick sogar noch Baseball, konzentrierte sich später aber ausschließlich auf American Football. Er hatte zunehmend Gefallen am Spiel mit dem Wilson gefunden. Vor allem, seit er in der Highschool von der Safety-Position auf die des Quarterbacks gezogen wurde und begann, dort Erfolg zu haben.

„Er war in drei verschiedenen Sportarten der beste Spieler auf dem Platz“, sagte Tigers-Scout Tim Grieve gegenüber MLB.com. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass er in allem gut gewesen wäre, was er gemacht hätte. Und man sah sein Lächeln.“ Grieve ergänzte: „Ich bin mir nicht einmal sicher, ob das Werfen das Beste war, was er gemacht hat. Er hat das gezeigt, was man heute in ihm erkennt: die Kreativität, die Athletik, das Selbstvertrauen, das Charisma.“

Die Lektionen aus dem Baseball übertrug Patrick auf seine Footballkarriere, nicht nur die Technik, sondern auch die Herangehensweise an verschiedene Sportarten. „Zu sehen, wie Jungs wie A-Rod und Jeter ihren Aufgaben nachgingen, wie hart sie vor und nach den Spielen arbeiteten, selbst wenn sie am Abend zuvor großartige Spiele hatten, ließ ihn wissen, wie hart man arbeiten muss, um dorthin zu gelangen und zu den Besten zu gehören“, sagte sein Vater.

Das Unikat“ Patrick Mahomes

Noch heute verlässt sich Mahomes nicht auf das früher Gelernte, sondern versucht, seine Fähigkeiten zu verbessern und seine Grenzen auszureizen. Mit Bobby Stroupe, der in mehr als 20 Jahren fast 30 Athleten in sechs verschiedenen Sportarten trainierte, übte Mahomes Würfe im Rückwärtslaufen oder Sprungwürfe. „Ich habe NFL-Quarterbacks trainiert, mit denen ich solche Übungen nie machen würde. Patrick ist ein Unikat“, sagte Stroupe gegenüber The Athletic.

„Schon in der High School hieß es: ‚Oh, er hat eine schreckliche Fußarbeit’“, sagte Stroupe. „Nun, er hat 20 Yards zurückgelegt und den Ball 70 Yards weit geworfen. Ich finde, das ist eine anständige Fußarbeit. Vielleicht interpretieren er und ich Fußarbeit einfach nicht so wie andere Leute“, teilte Stroupe der Washington Post mit.

Mahomes’ ungewöhnlicher Stil schreckte College-Teams und später NFL-Teams beim Draft 2017 zurück. Viele sahen in ihm einen Quarterback mit merkwürdiger Mechanik und schlampiger Fußarbeit. So wurden neun Spieler vor ihm ausgewählt, ehe die Chiefs durch einen Trade mit den Buffalo Bills an 10. Stelle sprangen und in Mahomes einen der besten US-Sportler aller Zeiten unter Vertrag nahmen.

Die erstaunliche Entwicklung von Jalen Hurts

Was spektakuläre und unkonventionelle Pässe angeht, ist Jalen Hurts (noch) kein Unikat. Aber auch er gehört der Riege der NFL-Spieler an, die eine Baseball-Vergangenheit haben. Den Sport betrieb er, bis er 15 Jahre alt war. Im Interview mit NBC Sports sagte Hurts einmal, dass er ein begeisterter Baseballspieler war. „Ich habe das Spiel geliebt. Wahrscheinlich wäre ich sogar (nach der High School) gedraftet worden, wenn ich die Arbeit, die ich investiert habe, fortgesetzt hätte. Aber es ist alles gut gelaufen.“

Seine NFL-Karriere ist nicht mit der von Mahomes zu vergleichen. Während Mahomes in seiner ersten vollen Saison als Starter MVP wurde, dauerte es eine gewisse Zeit, bis Hurts sich in der NFL zurechtfand. Anfangs wurde ihm vorgehalten, ein Quarterback zu sein, der nur als Läufer Schaden anrichten könne, aber nicht als Passgeber. Viele sahen in ihm eine bessere Version des Allround-Spielers Taysom Hill. Heute sind diese Stimmen nicht verstummt, aber wesentlich leiser geworden. 2022 gelang ihm sein endgültiger Durchbruch. Mit ihm auf dem Platz gewannen die Philadelphia Eagles 15 von 16 Spielen in der Regular Season und anschließend beide Playoffspiele souverän.

Die Umstände bei den Eagles spielen Hurts natürlich in die Karten: Er hat die vermutlich beste Offensive Line der NFL vor sich, zwei hervorragende Wide Receiver in DeVonta Smith und AJ Brown, ein gut designtes, effizientes Laufspiel und die Hilfe durch das Scheme mittels vieler Screen-Pässe und Play-Action.

Aber es nicht von der Hand von der Hand zu weisen, dass er Pässe – auch über lange Distanzen – anbringt, die in den Vorjahren noch nicht in seinem Repertoire waren. Allgemein verbesserte er seine Completion Percentage von 61,3 Prozent (2021) auf 66,5 Prozent (2022).

Doch wie kam es zu dieser drastischen Steigerung? Ein Blick zurück in den Sommer 2022: Damals arbeitete Hurts mit Adam Dedeaux, einem Personal Trainer, der eigentlich aus dem Baseball kommt und früher Pitcher war. Im Interview mit The Athletic sagte Dedeaux: „Jalen hat eine Menge natürlicher Fähigkeiten, die ich offen gesagt, nicht wahrgenommen hatte, bevor ich ihn persönlich getroffen habe.“

Adam Dedeaux ermunterte Jalen Hurts, wie ein „Hinterhof-Footballer“ zu spielen

Als er Hurts dann sah, kam er zu folgender Schlussfolgerung: „Er hat diese Hinterhof-Football-Fähigkeit, bei der er sich nicht darauf konzentriert, 100 Prozent mechanisch zu sein. Er kann den Ball einfach über das ganze Feld schleudern und wir haben ihn ermutigt, das zu tun.“

Dedeaux weiß, dass Pässe im Training etwas anderes als im Spiel sind. Die Nervosität ist bei allen Spielern größer, der Lärm der Zuschauer, die Intensität der gegnerischen Verteidiger – alles Faktoren, die ein Werfen von einer klaren Plattform erschweren. „Wie viele Pässe werden wirklich im Rhythmus der Offense geworfen? Oft befindet man sich in schlammigen Löchern, muss vom Fleck weg werfen, wirft auf dem vorderen Bein oder auf dem hinteren“, erklärte Dedeaux, der schon Matthew Stafford, Dak Prescott, Matt Ryan oder Carson Wentz geholfen hat.

Der Schlüssel für NFL-Quarterbacks ist es, die Lockerheit unter erschwerten Bedingungen aufrechtzuerhalten. Es geht darum, einen präzisen Pass anzubringen, obwohl ein Verteidiger auf einen zustürmt und man nicht die Zeit hat, die Füße richtig auszurichten und die Hüfte zu drehen. Im Training mit Hurts griff Dedeaux auf verschiedene Armwinkel und Mechaniken aus dem Baseball zurück und half ihm, die gleichen Prinzipien auf Football-Pässe anzuwenden.

Der Spielstil von Aaron Rodgers als Vorbild

Während der gemeinsamen Arbeit wollte der Personal Trainer Hurts die Erlaubnis geben, „einfach frei zu spielen.“ Um Hurts zu verdeutlichen, was er meinte, verwendete er das Beispiel von Aaron Rodgers. „Bei ihm sieht es so aus, als würde er nur mit Freunden auf der Straße spielen, wie ein 18-Jähriger, der mit einem Haufen 12-Jähriger spielt, mit dem Handgelenk schnippt und dabei sehr frei und locker wirkt. Er macht sich keine Sorgen, einen Fehler zu machen. Er ist einfach im Flow.“ Dedeaux fügte hinzu: „Manchmal können Quarterbacks als Werfer in eine Schublade gesteckt werden. Für Jalen ging es darum, sich zu entfalten und kreativ zu sein.“

Auch wenn Patrick Mahomes in seiner Entwicklung weiter als Jalen Hurts ist und mehr erreicht hat, lassen sich beide nicht in eine Schablone pressen. Beide haben ihren eigenen Stil, beide haben Erfolg damit und sind der beste Beweis, dass es sich bezahlt macht, in der Jugend nicht nur einen Sport auszuüben.


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